Unbeeindruckt von der derzeitigen aktiven Zerstörung der bürgerlichen Gesellschaftsordnung durch Politiker, Journalisten und ängstliche Maskenmenschen habe ich meine linguistischen Studien fortgesetzt. In diesem Semester habe ich mir eine feine Sprache aus Südafrika ausgesucht, das Afrikaans. Dr. Schott ist ein profunder Sprecher dieser Sprache, die sich aus dem Niederländischen entwickelt hat. Sie ist gekennzeichnet durch eine radikale Vereinfachung der Grammatik und verkürzte Wörter. Solche Sprachprozesse treten gerne in separierten Sprachpopulationen auf, die nicht durch eine Verschriftung daran gehindert werden, sich fortzuentwickeln. Beispiele in Europa für moderne fossilierte Sprachen sind Deutsch, Französisch und Russisch. Englisch ist verglichen mit ihnen viel fortschrittlicher.
Afrikaans hat eine einfache Konjugation, nämlich nur Personalpronomen plus Verb (ohne Veränderungen). Es ist manchmal lustig zu beobachten, wie Sätze klingen, z. B. ek is (ich bin) oder ek is gewees (ich bin gewesen). Niederländer würden hierbei die Hände über den Kopf zusammenschlagen und verzweifelt rufen "Wie sprechen die denn?" Jedoch ist das reine Gewöhnungssache.
Beim Konjunktiv wird es haarig. Nehme ich mal den Konjunktiv Perfekt: mag ek maar gehad hê (dass ich gehabt hätte). Das lässt sich nicht schnell mal eben so sprechen. Solche analytischen Konstruktionen sind ein Indiz dafür, dass diese grammatischen Erscheinungen nicht oft gebraucht werden und eigentlich der Schrifttraditon angehören. Im Altgriechischen wird man mit Konjunktiven oder Partizipien nur so überschüttet, aber nur in Texten. Das Volk auf der Straße hat sie gewiss nicht so gebraucht.
Wie können sich überhaupt Sprachen derart verkomplizieren? Meine Hypothese ist, die jeweilige Oberschicht hat genügend Muße, ein bestehendes Sprachsystem zu erweitern und weiter auszubauen, bis solche Kunstsprachen wie z. B. Sanskrit oder Altgriechisch entstehen. Die Sprache von Juristen, Soziologen, Linguisten zeichnet sich ja auch heute noch durch eine excellente Unverständlichkeit für den Mann auf der Straße aus. Politiker machen es ihnen nach, um sich den Anschein von Kompetenz zu geben, es sei denn, sie wollen dem Volk etwas aufzwingen und sind daher gezwungen, in dessen Sprache zu sprechen. Die so gebildeten Sätze wirken dann unfreiwillig komisch, mehr an eine Kindersprache angelehnt als die Sprache von vernünftigen Wesen. Die besten Bonmots gibt die deutsche Kanzlerin Merkel von sich. Ich erinnere mich an ihre "Kniebeugen machen" und in die "Hände klatschen", wenn den Schülern in den Schulen durch das ewige staatlich vorgeschriebene Lüften zu kalt wird. Auch der deutsche Präsident steht ihr nicht nach. Seine Reden sind ein Quell der Heiterkeit, so schön einfach formuliert, dass es das Zwerchfell reizt. Erstaunlich ist, dass die Dame und der besagte Herr noch ernst genommen werden. Ich bin ja tolerant.
Komme ich auf Afrikaans zurück. Diese Sprache beweist, wie kreativ der Homo sapiens ist und immer wieder neue Sprachen erfindet.