Islam am Scheideweg
Es ist schon sehr seltsam, wie groß der Interpretationsspielraum für bestimmte religiös motivierte Aussagen gibt. Im Islam ist das heute wie im Christentum, jeder sucht sich etwas Passendes heraus, nennt das die allerletzte Wahrheit. Je moderner der Islam interpretiert wird, umso mehr wird er an westliche, christliche und bürgerliche Maßstäbe angepasst, bis er nicht mehr erkennbar ist. Ein solcher Relativismus weicht jede Religion auf und wird sie langsam zerstören, Schritt für Schritt, schleichend bis so viel Religiösität wie im Abendland übrig bleibt, nämlich nichts, wo die Feiertage nur noch arbeitsfreie Tage sind und dazu dienen, das Business zu fördern mit saisonalen Artikeln. Wenn die Muslime den gleichen Weg beschreiten wie die Christen werden sie ebenso ihre Seele verkaufen.
Ein weibliches Kleidungsstück erhitzt ja die Gemüter so sehr. Bei der Diskussion treten manche Zirkelschlüsse auf. Ich nehme mal das Argument auf, dass auch eine voll bekleidete Muslime selbstständig und ohne Bevormundung für sich entscheiden kann, warum wird ihr dann Unfreiheit vorgeworfen? Wenn sie also nicht zwangsverheiratet wurde, keinen Bruder als Vormund hat, keinen autoritären Vater hat, also all das, was den Musliminnen so oft unterstellt wird und einen Beruf ausübt. Ist sie dann auch unfrei? Und ein anderes Argument, wenn eine Muslimin sich so frei kleidete wie eine Frau in einer bestimmten dominierenden Gesellschaft in einer bestimmten geschichtlichen Epoche, nämlich der heutigen euro-amerikanisch bürgerlichen mit protestantischen Wurzeln, dann hätte sie auch nicht mehr erreicht als ihre voll bekleidete Geschlechtsgenossin, es sein denn, sie präferierte eine ungebundene Sexualitätsausübung. Darin würden sich beide natürlich deutlich unterscheiden.
Gestiftete Religionen sind grundsätzlich nicht auf Individualbasis interpretierbar (Ekklektizismus). Wenn z.B. im Quran dies oder das steht, kann niemand genau das Gegenteil davon als "wahr" erklären. Das gilt auch für die Bibel bzw. für jede Religion, ansonsten ist eine solche Religion schon in Auflösung begriffen. Wenn wir unseren Individualismus so weiter treiben wie bisher wird er sich eh biologisch auflösen, denn die Träger dieser Lebensweise haben ja keine Nachkommen. Deshalb wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis unsere momentane Lebensweise sich von selbst ins Abseits gestellt hat. Wenn sich auch die Muslime dieser Lebensweise anschlössen, würden auch sie in den Orkus der Geschichte fallen, was natürlich in ihrer Entscheidung liegt. Wenn es in einer Gesellschaft nur noch divergierende und widersprüchliche persönliche Lebensentwürfe gibt, wird sich das auch politisch niederschlagen mit all den Widersprüchen und Opportunismen, wie wir sie in der Politik erleben. Das hat u.a. dazu geführt, dass die Unterschicht "abschmiert", verarmt, verachtet wird und mit minderwertigen "Zirkusspielen" im Fernsehen bislang ruhig gestellt wird. Eine Gesellschaft ohne Religion und religiöse Rituale, also nicht nur ein irgendwie gearteter Glaube ohne praktische Konsequenzen, eine unverbindliche Mystik oder Esoterik, wird über kurz oder lang untergehen. Ich habe das persönlich beim Zusammenbruch der gottlosen DDR erlebt. So wird das auch mit unserer BRD kommen.
Das Strafrecht steht aber nicht im Vordergrund einer Religion. Jede Gesellschaft ihre eigenen Normen so entwickelt, wie es für sie zu einer bestimmten geschichtlichen Entwicklung notwendig erschien. In einer modernen Gesellschaft mit einem komplexen Rechtssystem und einer entsprechend strukturierten Administration sind andere Normen als in einer einfacheren Gesellschaft sinnvoll. Der Salafismus kann hier keine Antworten liefern.