Die mathematische Darstellung der VWL
(Stand: 30.01.2014, © 2014 Klaus H. Dieckmann, Köln. Alle Rechte vorbehalten)
Ohne eine ausreichende mathematische Darstellung der VWL ist es unmöglich, wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen. Wer höhere Mathematik nicht versteht oder davor zurückschreckt, sollte sich einen anderen Beruf aussuchen, der ihm besser liegt. Es genügt nicht, nur verbale Darstellungen zu verstehen, in der Sachverhalte oder Zusammenhänge erläutert werden. Komplexe Probleme können nicht mehr damit erläutert werden. Hier stößt man unweigerlich an die Grenzen der Überschaubarkeit.
Algebraische Funktionen zu beherrschen, ist unabdingbar. Die Volkswirtschaftslehre bedient sich ausgiebig der Mathematisierung. Die Algebra wurde von den Arabern nach Europa gebracht und dort stark weiter entwickelt. Sie ist eine hervorragendes wissenschaftliches Instrument, Prozesse zu analysieren und quantitative Aussagen zu machen. Jedoch ist die Algebra nicht an einem Nachmittag erlernbar.
Grafiken haben einen visualisierenden Effekt, doch stößt man hier bei dynamischen Prozessen schnell an die Grenzen der Darstellbarkeit. Die Grafiken sind dann überfrachtet mit Kurven, die nur noch schwer zu überblicken sind. Für einfache Sachverhalte leuchten sie auch Laien ein, was sie auch sollen.
In der Alltagssprache gibt es die häufigen Wendungen „wenn das so und so ist, dann ...” oder „dann passierte dies und das”. Hiermit werden bestimmte sachliche oder zeitliche Zusammenhänge dargestellt. In der Mathematik gebraucht man dafür eine Funktion, die auch als Formel bekannt ist. Die Formel besteht aus einer Variablen links vor dem Gleichheitszeichen, dem Output y, und rechts neben dem Gleichheitszeichen steht auch eine Variable, die mit anderen Buchstaben und Rechenzeichen verbunden ist, dem Input x.
Output y = Input x
In den volkswirtschaftlichen Funktionen können ganz verschiedene Buchstaben als Abkürzungen für bestimmte Einflussgrößen benutzt werden. Da gibt es Funktionen, die erst mal nur einen funktionalen Zusammenhang darstellen sollen. Man kann hier noch keine konkreten Zahlen einsetzen.
Produktionsfunktion
Ein Beispiel ist die Produktionsfunktion:
Die Buchstaben sind Abkürzungen für folgende Einflussgrößen:
Y = Volkseinkommen oder Sozialertrag (aus dem englischen yield = Ertrag)
f = Funktionsvorschrift
R = natürliche Ressourcen
A = menschliche Arbeitsleistung
K = Sachkapital
T = technisch-organisatorisches Wissen
Nachfragefunktion
Ein anderes Beispiel: Die Nachfragefunktion :
Legende:
= nachgefragte Menge x (in Stück) einer Ware
f = Funktionsvorschrift
p = Preis der Ware
Der Index N soll darauf hinweisen, dass es sich bei der Menge um eine nachgefragte Menge handelt.
Die obige Nachfragefunktion präsentiert einen nicht näher bezeichneten Zusammenhang zwischen der Outputgröße und der Inputgröße p. Das kann man ändern, indem man das Verhalten der Verbraucher erforscht, wie sie auf Preisänderungen einer Ware reagieren. Im Allgemeinen werden sie weniger von dem Produkt kaufen. Der Zusammenhang zwischen Output- und Inputgröße ist also negativ.
Das Dreieck ist der griechische Buchstabe Delta. Er ist die Abkürzung für Differenz.
Wer die Gleichung etwas komplizierter mag, kann sie algebraisch umformen. Das sieht dann so aus:
oder anders ausgedrückt:
Der Ausdruck < 0 bedeutet negativ.
Die Gleichung bedeutet: Je teurer die Ware wird, umso weniger wird davon gekauft.
Der Delta-Buchstabe in dem Bruch zeigt, dass es sich um einen Differenzenausdruck handelt. Werden die Differenzen unendlich klein, geht der der Differenzenausdruck in den Differenzialausdruck über. In der Mathematik ist das die erste Ableitung der Funktion. Bei der Nachfragefunktion wird nach dem Preis p abgeleitet.
Statt einer Differenz steht hier nun ein Differenzial, also eine ganz kleine Größe. Der numerische Wert der ersten Ableitung ist durch den Tangens, dem Verhältnis von Gegenkathete zur Ankathete, gegeben. Die Steigung gibt an, wie stark die Nachfrage auf Preisveränderungen reagiert. Ein großer Steigungswinkel hat also starke Nachfragereaktionen zur Folge. Ein kleiner Steigungswinkel zeigt das Gegenteil.
Wer hier Verständnisschwierigkeiten hat, erinnere sich an seine Schulzeitmathematik oder schaue in einem einführenden Mathematikbuch nach. Solide Kenntnisse der höheren Mathematik werden für die Volkswirtschaftslehre vorausgesetzt.
Da die allgemeine Nachfragefunktion interessiert, kann man aus der Ableitungsfunktion über die Integration diese ganz bequem erstellen. Die Ableitungsfunktion muss zuvor umgewandelt werden:
umformen, was
ergibt. Statt der Ableitung einen beliebigen Koeffizienten b einsetzen und das Minuszeichen auf die andere Gleichungsseite bringen. Das ergibt:
oder umgestellt nach Multiplikation mit -1:
Die Integration dieser Gleichung nach
ergibt die Nachfragefunktion :
Die Konstante C kann man umbenennen, z. B. a nennen und an den Anfang des Ausdrucks setzen. Die Konstante a ist die maximale Nachfragemenge bei einem Preis von 0.
ist also die Nachfragefunktion. Die Variable x stellt die nachgefragte Menge dar. Die Konstante a gibt an, wie hoch die potenzielle nachgefragte Menge x bei einem Preis von 0 Euros wäre, also wenn der Term wäre. Wie viele Stück könnte man potenziell absetzen, wenn die Ware „verschenkt” würde. In diesem Fall ist die maximale gekaufte Menge .
Der Koeffizient b gibt an, wie stark die Nachfrage bei beliebigen Preisschwankungen p variieren würde. Das Minuszeichen gibt den negativen Zusammenhang wider. Die nachgefragte Menge wird immer kleiner, wenn der Preis der Ware steigt. Wird die Ware hingegen billiger, wird sie mehr gekauft. Das mögen die Deutschen. Überall, wo billiger steht, greifen sie gerne zu.
Für die verschiedenen Waren haben die Größen a und b verschiedene Werte. Sie können durch Befragungen oder empirische Messreihen ermittelt werden.
Grafische Darstellung:
Beispiel einer linearen Nachfragefunktion (Bild: Pajz)
Die nachgefragte Menge wird hier als Q (Quantität) bezeichnet. Ob sie als x oder als Q bezeichnet wird, ist unerheblich. Wichtig ist nur der negative funktionale Zusammenhang zwischen der Nachfrage und dem Preis der Ware.
Die Differenzial- und Integralrechnung sind schöne mathematische Instrumente, ökonomische Verhaltensweisen quantitativ zu beschreiben. Der Volkswirt braucht sie nur zu nutzen.