Heute hörte ich eine interessante Vorlesung über theoretische Philosophie bei Professor Grundmann. Über 300 Teilnehmer waren online anwesend. Es ist also eine Vorlesung, die eine große Resonanz gefunden hat. Das Thema war Wahrheit, was ist sie und wie Wahrheit erkannt werden kann. Die Studenten konnten auch mitdiskutieren. Verschiedene Philosophen wurden zitiert. In der Mathematik ist der Wahrheitsbegriff sehr wichtig, sonst würden die vielen Theoreme zu falschen Ergebnissen führen. Im Gegensatz zur Philosophie wird nur die zweiwertige Logik zugelassen, was zu eindeutigen Aussagen und Entscheidungen führt, die als wahr oder falsch bewiesen werden können. Das Gute an der Mathematik ist die Quantifizierung. Sie erfordert auch ein sehr abstraktes und stringentes Denken. Ein großer Unterschied zwischen den Philosophen und den Mathematikern besteht eher in der Vorgehensweise, die Welt zu erklären. Ich hatte den Eindruck, dass die diskutierenden Studenten sicherlich nicht in der Lage sind, den trickigen Ausführungen von ausgebildeten Mathematikern zu folgen, die weit über das Alltagsverständnis hinaus Theoreme geschaffen haben, die wegen ihrer Beweisbarkeit wahr sind. Das Wahrheitsverständnis der Anwesenden erschien mir doch zu simpel. Mit der „Wahrheit“ hatte ich mich schon jahrelang beschäftigt. Die Höhere Mathematik ist ja weitaus mehr als mit Zahlen zu rechnen. Gerade in der mathematischen Grundlagenforschung wird viel Philosophie benutzt, was sind Zahlen, was bedeutet Rechnen, was ist Logik, welche Strukturen sind als wahr anzusehen, gibt es eine widerspruchsfreie Axiomatik, wie weit sind die Phänomene des Seins erkennbar, täuschen wir uns und so weiter.
So, nach einem Spaziergang an der kalten Luft kann ich wieder durchatmen. Heute fand ein Seminar der theoretischen Philosophie statt, das schon arg an Teilnehmern verloren hat. In der Physik würde man von Halbwertzeit sprechen. Doch es handelte sich um Philosophie über das Thema Erkenntnis von Wahrheit, was auch der politischen Klasse gut täte. Mir kamen die diversen Hypothesen der meist amerikanischen Philosophen des letzten Jahrhunderts irgendwie bekannt vor. Das wird auch in der Anfangsvorlesung für Mathematik gelehrt, dafür aber quantitativ und präziser in den Begriffen. An den Gesichtern konnte ich ersehen, dass auch ältere Semester teilnahmen. Als der Professor erwähnte, dass es im deutschsprachigen Raum etwa 390 Philosophie-Professuren, in den USA aber 3000 davon gäbe, war ich verblüfft. Wenn ich bedenke, wie viele Informationseinheiten heute im Seminar gelehrt wurden, die bequem auf wenige Folien passten, und das mit den entsprechenden Informationseinheiten der Mathematiker oder Physiker vergleiche, so ist ein Effizienzgefälle allzu deutlich. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist es offensichtlich, wie die herrschende Klasse in den bürgerlichen USA sich mit lukrativen Stellen versorgt, die wenig produktiv oder erkenntnistheoretisch überragend sind. Es ist unübersehbar, dass viel Geld zur Aufrechterhaltung der herrschende Elite aufgewandt wird, die sich damit selbst versorgt unter dem Deckmantel von Wissenschaft, die bequem in einen Fingerhut passt. Das wird ihr aber nichts zu ihrem Erhalt nützen, wenn ihre politischen Entscheidungen das Volk spürbar negativ treffen. Sind das nun philosophische oder soziologische Erkenntnisse?