Sprachtypologie

Eine gute Einsicht in Sprache: "Wir begegnen hier dem Irrtum, den die meisten Leute bei der Behandlung solcher gesellschaftlicher Fragen der Sprache machen. Sie setzen naiv voraus, eine Sprache sei nichts weiter als ein Haufen von Wort und Begriffs-Bildungen (Lexationen), und das genüge auch für jede Art rationalen Denkens. Die weit wichtigeren Denkmaterialien der Struktur und des konfigurativen Rapports liegen jenseits ihres geistigen Horizonts. Je einfacher eine Sprache äußerlich wird, desto mehr unbewußte Voraussetzungen verbergen sich in ihr und desto mehr werden ihre Wort- und Begriffs-Bildungen variabel und undefinierbar. Ist das wirklich das, was die Möchte-Gern-Advokaten einer 'einfachen' internationalen Sprache herbeizuführen streben? Um auf solchen Gebieten richtig zu denken, brauchen wir unbedingt eine kompetente weltweite Übersicht der Sprachen." (Benjamin Lee Whorf, Sprache - Denken - Wirklichkeit, Beiträge zur Metalinguistik und Sprachphilosophie, Rowohlt 1979, Reinbeck bei Hamburg, Seite 130)

Dieses nicht einfach zu verstehende linguistische Buch habe ich immer wieder gelesen und über die einzelnen sprachphilosophischen Entitäten nachgedacht. Ich habe mich seit über 40 Jahren damit beschäftigt, eine neue Sprache zu schaffen, die relativ leicht praktikabel ist, auf vorhandenem Sprachmaterial aufsetzt und in der grammatische und lexikalische Strukturen explizit dargestellt werden. Natürlich habe ich noch andere linguistische Bücher gelesen und mich mit vielen natürlichen Sprachen beschäftigt, so wie Whorf es gefordert hatte. Wenn ich mir jetzt meine Plansprache anschaue, bin ich sehr zufrieden. Sie ist aber noch nicht fertig gestellt. Auf dem Foto seht ihr wichtige Aussagemöglichkeiten mit sehr abstrakten Namen, die ich noch überarbeiten werde, damit sie einfacher zu gebrauchen sind. Manchmal ist weniger mehr, haha.

George Orwells Roman "1984" hatte mich schon als Jugendlicher beschäftigt und zwar vor dem genannten Jahr in der Schule. Besonders die darin enthaltene Sprache hatte mich sehr verwundert. Orwell nannte sie Newspeak ("Neusprech"). Sie sollte der Ideologie des Regimes mit der Bezeichnung IngSoc ("englischer Sozialismus") für ihre oppressiven Maßnahmen dienen. Der Inhalt von allgemein bekannten Begriffen wurden ins Gegenteil verkehrt. Ein Arbeitslager wurde "joycamp" genannt, was bei den betroffenen Insassen gewiss nicht den gewünschten emotionalen Erfolg hatte. Das Regime hätte sie gewiss nicht von der Wortneuprägung überzeugen können. Die politischen Slogans "Krieg ist Frieden", "Freiheit ist Sklaverei" und "Unwissenheit ist Stärke" hätte auch niemand geglaubt. So doof ist nun niemand. Irgendwie fand ich den Roman total skurril und lächerlich.

Im Alter hat sich meine Einstellung nach der intensiven Beschäftigung mit Sprache und politischen Systemen, insbesondere des gegenwärtigen bürgerlichen Systems geändert und nun verstehe ich, was Orwell eigentlich mit seiner Dystopie ausdrücken wollte. Hätte er sein Werk nicht so überzogen absurd dargestellt, und hätte er mehr den Kern seiner Gedanken, der Gedankenkontrolle von Regierungen aller politischer Schattierungen und Gesellschaftsordnungen herausgeschält, so könnte man es den heutigen Regierungen als Geburtstagsgeschenk überreichen.

So wurde nur ein Begriff aus diesem Roman, der des BB (Big Brother) für eine überaus dümmliche Fernsehserie benutzt und völlig entwertet. Ein Millionenpublikum macht sich lustig über ein Thema, das die Freiheit eines jeden betrifft, und lästert über andere, die sich zum Affen machen. Die bürgerlichen Medien befeuern dieses Publikum mit ihren Darstellungen noch an. Sie haben keinen Anstand, ein Wort, das in diesen Institutionen unbekannt ist. Daran wird sich nichts ändern, bis die bürgerliche Gesellschaftsordnung in der Historie verschwindet.

Orwells feinfühlige Gedanken kann man auf die Jetztzeit übertragen, denn auch in der bürgerlichen Gesellschaft mit ihren demokratisch besetzten Organen ist die sprachliche Manipulation die Regel. Das geschieht durch einen entsprechenden Wortgebrauch und durch geschickte Pointierung und selektives Weglassen von Informationen seitens der herrschenden Klasse und ihrer medialen Unterstützer, die sich so gerne als "frei" und "unabhängig" bezeichnen, es aber doch aufgrund ihrer systemimmanenten Sozialisation und den jeweiligen Arbeitsverträgen bei ihren medialen Arbeitgebern nicht sind oder sein können.

Ein paar Beispiele für sprachliche Manipulation durch die herrschende Klasse:

"robuster Stabilisierungseinsatz" statt Krieg
"Sparpaket" statt eines Gesetzpakets mit Kürzung von Ausgaben, meist im Bereich Bildung und Soziales.
"Online-Durchsuchung" statt Online-Überwachungsmaßnahme oder Computerverwanzung (ganz schön negativ besetzt!)
"Unterbindungsgewahrsam" statt Gefängnis
"auf Dauer jemandem die Freiheit entziehen" statt lebenslängliche Inhaftierung

Das sind nur einige Beispiele, wie die herrschende Klasse und ihre medialen Unterstützer die Welt, nämlich ihre eigene Welt, sehen und dies durch bestimmte sprachliche Mittel ausdrücken. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, kann dies in dem Paper von Martin Haase "Neusprech im Überwachungsstaat" tun. Man muss sich schon länger damit beschäftigen, um die Tragweite des euphemistischen Sprachgebrauchs zu verstehen. Er ist so unterschwellig, und die deutsche Sprache bietet eine reichhaltige Grundlage, beliebige Wortkompositionen und periphrastische Ausdrücke entsprechend dem jeweiligen politischen oder auch kommerziellen Zweck zu bilden.

Das Deutsche, aber auch das Englische, wie ich dies im Internet recherchiert habe, gewiss auch andere Sprachen, bieten eine Fundgrube an manipulativen Ausdrücken, die ich in meiner Schicht, aus der ich stamme, nicht höre. Dort spricht man kurz und bündig und nennt die Dinge beim Namen. Die "Neusprech"-Ausdrücke stammen aus dem akademischen Sprachgebrauch der Universitäten, deren Absolventen darin geübt werden für ihre späteren gehobenen Stellungen ausgestattet zu sein, das bürgerliche System zu perpetuieren. Das geschieht nicht plump evident, sondern versteckt subtil und wird durch entsprechende Prüfungsordnungen und professorale Prüfer gewähreistet. Ob die akademischen Absolventen sich dessen überhaupt bewusst sind, bezweifele ich und unterstelle ihnen mangelnde Selbstreflektion. Mancher mag von der Regel abweichen, doch auf die Mehrheit bezogen gilt meine These, immerhin hatte ich in meinem Leben häufigen Kontakt mit ihnen. Wie dem auch sei, ihre Eloquenz wird ihnen nichts nutzen, wenn sie gravierende Fehler bei politischen oder ökonomischen Entscheidungen machen und damit Eruptionen in der Bevölkerung provozieren.

Solche Gedanken wie oben dargelegt haben schon andere vor mir gehabt, nur überlege ich mir, welche Konsequenzen sich für meine Plansprache ergeben. Mit welchen sprachlichen Mitteln kann eine "Neusprech"-Manipulation verhindert werden? Wie können euphemistische Ausdrücke als solche formal erkannt werden, und wie kann man sie dem Hörer sofort erkennbar machen?

Eine Plansprache nach dem Muster bestehender natürlicher Sprachen nachzubilden, zu regularisieren und simplifizieren ist nicht besonders schwer, aber einen neuen Wortschatz mit definierten Wortbildungsregeln zu kodifizieren ist eine wirkliche Herausforderung. Eine breite Volksbildung ist nur möglich, wenn der Wortschatz der neuen Sprache jedem verständlich ist und nicht die Sprecher mit manipulativen Ausdrücken umnebelt.

Der wissenschaftliche Wortschatz muss verständlich sein und keine Zweitsprache bilden.

Unangenehme politische Entscheidungen sollten als solche sprachlich ausgedrückt werden. Das würde die Glaubwürdigkeit von Politikern auch erhöhen.

Verbrecherische Handlungen sollten nicht verhüllend ausgedrückt werden: "liquidieren" (eigentlichen verflüssigen), "eliminieren" (eigentlich herauslösen), "sonderbehandeln" (vergasen im KZ) müssten dann als "töten" oder "ermorden", je nach Zusammenhang, wiedergegeben werden.

Auch in der täglichen Umgangssprache können Änderungen im Sprachgebrauch stattfinden. Ich greife einige Beispiele heraus. Warum sollte der Kopf als "Rübe", das Gesicht als "Fresse", der Mund als "Maul" bezeichnet werden? Die vielen Schimpfwörter, die sich auf die Ausscheidungsorgane beziehen, sind ebenfalls überflüssig. In dem amerikanischsprachlichen Filmen höre ich so oft das Wort "f*ck", wozu? Ein entsprechender Benimmkodex in der zukünftigen postbourgeoisen Gesellschaft könnte solche Wörter eliminieren. Ich werde sie jedenfalls nicht in den Wortschatz meiner Plansprache übernehmen. Ich kann mich noch erinnern, dass bestimmte Schimpfwörter in meiner Kindheit nicht im Duden verzeichnet waren, aber in späteren Ausgaben schon. In einer kommerzialisierten Gesellschaft ist es den Redaktionen egal, welche Wörter benutzt werden. Sie denken an ihre Profite und produzieren Texte oder Musik aus kommerziellen Gründen und lassen sich nur durch gesetzliche Rahmenbedingungen beeindrucken, nicht durch Kritik, die dann geschickt noch als verkaufsfördernd eingesetzt wird. Eine widerliche Gesellschaft!

Es gibt also noch viel zu tun, bis ich mit meiner Plansprache zufrieden bin und ich sie in einem Buch präsentieren kann.

Vor dem Online-Seminar möchte ich ein Paar Worte über die wissenschaftliche Darstellung von Informationen verlieren. Man kann die gleichen Informationen auf verschiedene Weisen präsentieren. Gerade in der Linguistik tendieren die Autoren zu einer lateinisch-griechischen Mischsprache mit komplexen Sätzen und einer enormen Häufung von Fachbegriffen. Dass dies nicht unbedingt sein. Das beweist Frederick Bodmer in seinem informativen Werk „Die Sprachen der Welt“, aus dem ich viele Anregungen für meine Plansprache erhalten habe. Es ist für interessierte Laien verständlich geschrieben. Das Büchlein von Harald Haarmann „Grundzüge der Sprachtypologie“ von 1976 erscheint mir wie eine komprimierte Fassung des Linguistikstudiums. Ich habe es mehrmals durchlesen müssen und stoße immer noch auf Informationen, die mir entgangen waren. Ich habe mich gefragt, ob es in meiner Sprache Urésa leichter verständlich wäre. Die Antwort lautet, ohne eine stilistische Umarbeitung wäre es dennoch schwer verständlich für Leser, die keinen linguistischen Hintergrund haben. Es reicht also nicht aus, eine Eins-Zu-Eins-Übertragung zu machen. Die Art der Informationsvermittlung müsste auch angepasst werden. Das fängt formal bei der Anzahl der Wörter im Satz und der Verschachtelung mit Nebensätzen an und pflanzt sich fort mit der Attributbildung und der Nominalisierung von Verben. Was am meisten stört, ist der ungeheure Komprimierungsgrad der Informationsvermittlung. Dieser könnte durch einen umgangssprachlichen Stil und mehr erzählerische Stilelemente aufgebrochen werden. Hat darüber jemals ein Sprachplanler nachgedacht? Es wäre doch möglich, sprachliche Formalien zu entwickeln, die für Fachbücher angewandt werden können, um dem Leser ein Vergnügen zu bereiten und Informationen präzise und verständlich zu vermitteln. In einer plebejischen Gesellschaftsordnung erwarte ich ein didaktisch und stilistisch aufbereitetes Lernmaterial. Daran werde ich arbeiten.

Vor dem Online-Seminar möchte ich ein Paar Worte über die wissenschaftliche Darstellung von Informationen verlieren. Man kann die gleichen Informationen auf verschiedene Weisen präsentieren. Gerade in der Linguistik tendieren die Autoren zu einer lateinisch-griechischen Mischsprache mit komplexen Sätzen und einer enormen Häufung von Fachbegriffen. Dass dies nicht unbedingt sein. Das beweist Frederick Bodmer in seinem informativen Werk „Die Sprachen der Welt“, aus dem ich viele Anregungen für meine Plansprache erhalten habe. Es ist für interessierte Laien verständlich geschrieben. Das Büchlein von Harald Haarmann „Grundzüge der Sprachtypologie“ von 1976 erscheint mir wie eine komprimierte Fassung des Linguistikstudiums. Ich habe es mehrmals durchlesen müssen und stoße immer noch auf Informationen, die mir entgangen waren. Ich habe mich gefragt, ob es in meiner Sprache Urésa leichter verständlich wäre. Die Antwort lautet, ohne eine stilistische Umarbeitung wäre es dennoch schwer verständlich für Leser, die keinen linguistischen Hintergrund haben. Es reicht also nicht aus, eine Eins-Zu-Eins-Übertragung zu machen. Die Art der Informationsvermittlung müsste auch angepasst werden. Das fängt formal bei der Anzahl der Wörter im Satz und der Verschachtelung mit Nebensätzen an und pflanzt sich fort mit der Attributbildung und der Nominalisierung von Verben. Was am meisten stört, ist der ungeheure Komprimierungsgrad der Informationsvermittlung. Dieser könnte durch einen umgangssprachlichen Stil und mehr erzählerische Stilelemente aufgebrochen werden. Hat darüber jemals ein Sprachplanler nachgedacht? Es wäre doch möglich, sprachliche Formalien zu entwickeln, die für Fachbücher angewandt werden können, um dem Leser ein Vergnügen zu bereiten und Informationen präzise und verständlich zu vermitteln. In einer plebejischen Gesellschaftsordnung erwarte ich ein didaktisch und stilistisch aufbereitetes Lernmaterial. Daran werde ich arbeiten.

Meine Forschungen gehen weiter. Die alten griechischen Philosophen, voran Platon mit seinen endlosen Gesprächen, haben sehr mit Worten gespielt. Vieles davon ist sehr schwammig oder ist falsch nach heutigem Forschungsstandard. Es gab damals auch keine Naturwissenschaften nach heutigem Maßstab, wo Experimente Hypothesen überprüfen, sie bestätigen oder widerlegen. Man verließ sich auf den gesunden Menschenverstand und Plausibilitäten, was natürlich in die Irre führen kann. Ich habe mich mit der Übersetzung des Georgias von Platon beschäftigt und festgestellt, dass in meiner Plansprache die emotionalen und modalen Zwischentöne weitgehend in einer übersichtlichen Form noch fehlen. Das hatte ich bisher nur intuitiv erarbeitet und mich vom Deutschen leiten lassen. Das ist nicht gut und noch unzureichend. Für die Modalitäten in der Sprache sollte ein bestimmtes, übersichtliches Schema angewandt werden, wobei die benutzten Wörter nicht als isolierte Einheiten existieren, sondern auch als Kompositionselemente bei anderen Begriffen dienen sollten. Für nicht tief im Thema Stehende klingt das bestimmt zu abstrakt. Es wird gewiss beim persönlichen Gebrauch dann als easy empfunden, wenn ich nur das geeignete Mittel dazu finde. Dieser Erkenntnisprozess fällt auch mir schwer.

Über die Spracherfindung bin ich immer tiefer in das menschliche Denken vorgestoßen und wie es sprachlich formuliert wird. Deshalb empfinde ich die heutige Zeit der bürgerlichen Gesellschaft als eine verlogene und verkommene Epoche an. Über die Sprache werden die Menschen getäuscht. Jedoch lässt sich die Natur nicht übertölpeln. Sie ist immer stärker als dieser Zweibeiner mit Zunge und ohne Körperfell sein. Die politischen und ökonomischen Fehlentscheidungen von heute werden die kommende Generation hart treffen, wenn ich alter Sack schon unter der Erde liege. Das gönne ich den jungen Leuten nicht. Soweit es mir möglich ist, werde ich mich für sie einsetzen, auch gegen die egoistischen Interessen meiner Gleichaltrigen. Die Jugend soll es gut haben.

Deixis - oder in welchem Bezugssystem lebe ich

Der linguistische Fachbegriff der Deixis bezieht sich auf Sprechsituationen und Bezugssystem, in dem sich der Sprecher und der Angesprochene bewegen. Das kann personal, lokal oder temporal sein.

Deiktische Morpheme

Für die Sprecher einer bestimmten Sprache sind das "Selbstverständlichkeiten" und sie machen sich darüber keine weiteren Gedanken. Nur ist die Deixis nicht in allen Sprachen gleich. Bei bestimmten Bezügen erweisen sich die erlernten Begrifflichkeiten der jetzigen europäischen Sprachen als nicht ausreichend. Es gibt indianische Sprachen, die darin viel genauer sind.

Die europäischen Imperialisten mit ihren Kanonen und ihrer überlegenen technologischen Kriegsmaschinerie hatten den amerikanischen Kontinent brutal erobert, besetzt und die dortigen Bewohner als "Wilde" bezeichnet. Dabei war die Urbevölkerung gar nicht so "wild" oder "primitiv" wie die Weißen glaubten, was ihre schwierig zu erlernenden indigenen Sprachen beweisen.

Wenn die Christen auf die blutigen religösen Rituale der Azteken referieren und sie als Beispiel von Grausamkeit deklarieren, sollten sie einen Spiegel benutzen und auch ihren eigenen Aberglauben in ihre Kritik einbeziehen, der so viel Unheil über die Menschen und wissenschaftliche Rückschrittlichkeit in die Welt gebracht hatte.

Rein quantitativ betrachtet waren die christlichen Europäer in ihren barbarischen Eroberungszügen nicht zu "toppen", trotz der geforderten "Feindesliebe" in ihrer heiligen Schrift.

Die schizoide Denkweise zwischen der eigenen religiösen Norm und der nicht damit korrespondierenden Umsetzung abzulegen und zu einer moralisch einwandfreien Denkhaltung anderer Völker gegenüber müssen die heutigen Europäer und vor allem die Amerikaner erst noch gelangen.

"Die Sprachen der Algonquin werden von einem sehr einfachen, jagenden und fischenden Indianern geprochen, sind aber wahre Wunder der Analyse und Synthese. Ein Beispiel ihrer grammatischen Raffinesse ist der sogenannte Obviativ. Durch diesen haben ihre Fürwörter vier statt drei Personen - von unserem Standpunkt aus - zwei dritte Personen. Das bedeutet eine starke Hilfe bei der bündigen Beschreibung komplizierter Situationen, für die wir unsere Zuflucht zu schwerfälligen Umschreibungen nehmen müssen.

Wir wollen ihre dritten und vierten Personen durch die Indizes 3 und 4 an unsere Wörter kennzeichnen. Dann könnten die Algonquin-Indianer die Geschichte von Wilhelm Tell etwa so erzählen:

'Wilhelm Tell rief seinen (3) Sohn und befahl ihm (4) ihm (3) seinen (3) Pfeil und Bogen zu bringen, die er (4) ihm (3) dann brachte. Er (3) befahl ihm (4) stille zu stehen und legte einen Apfel auf seinen (4) Kopf, nahm sodann seinen (3) Pfeil und Bogen und sagte ihm (4), er (4) brauche sich (4) nicht zu fürchten. Dann schoß er (3) den Apfel von seinem (4) Kopf, ohne ihn (4) zu verletzen.'"

(Quelle: Benjamin Lee Whorf, "Sprache - Denken - Wirklichkeit, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg, 1963, Seite 68)

 

Sprachliche Sprachenpower nach vorn

Auf die bisherige Männerdomäne Plansprachen sind zwei Frauen gestoßen, die Deutsche Dorothea Winkelhofer und die Kanadierin Sonja Elen Kisa. Beide gehen von ganz verschiedenen Sichtweisen an ihre Sprachen heran.

Während Dorothea Winkelhofer einen Romanic-Clon ("Rapidlingue" = Schnellsprache) geschaffen hat, beschäftigte sich Sonja Elen Kisa mit der Pidginsprache Tok Pisin und nannte ihre Sprache "Toki pona" = gute Sprache). Die beiden Elemente dieses Begriffs stammen aus europäischen Sprachen trotz ihres seltsamen Aussehens.

"toki" ist abgeleitet von englisch "to talk"
"pona" ist abgeleitet von lateinisch "bonus, bona, bonum", was sich in den romanischen Sprachen, aber auch im Esperanto wieder findet.

Warum diese Wörter so verunstaltet wurden, liegt in der minimalen Phonetik begründet, die Frau Kisa benutzt. Insgesamt hat sie für ihre Sprache nur 120 Wörter vorgesehen, ein absoluter Hit. Die Minisprache "Basic English" von Charles Kay Ogden braucht immerhin 850 Wörter.

Pidginsprachen brauchen im Grunde nicht viele Wörter, da sie keine "vollwertigen" Sprachen sind und sein können. Sie sind vielmehr ein Behelf zwischen Sprechern völlig unterschiedlicher Sprachen und kommen bei flüchtigen Handelskontakten oder kamen früher bei der Versklavung von Menschen (schrecklich!) zur Anwendung.

Aus diesen Pidginsprachen konnten sich auch Kreolsprachen entwickeln, deren Kennzeichen Regelmäßigkeit und eine Minimalgrammatik ist. Über eine fortschreitende Verkomplizierung, durch neue Wortkompositionen, Umstellungen von Funktionswörtern (Morpheme), Übernahme fremder Begriffe und Grammatikkomponenten entstehen dann solche "natürliche" Sprachen wie etwa Deutsch.

Den umgekehrten Weg, zurück zum Kreol, hat das Englische fast geschafft. Mit dem Basic English wäre der Schlusspunkt erreicht.

Deutsch hatte z. B. die lateinische Endung -arius übernommen und daraus das überaus produktive Suffix- er gebildet, das bei so vielen Wörtern auftritt und als typisch "deutsch" angesehen wird.

Es ist bemerkenswert, was beide Frauen geleistet haben. Dorothea Winkelhofers Rapidlingue zeichnet sich durch romanische Ästhetik aus. Sonja Kisas Kurzsprache hat einen hohen Abstraktionsgrad mit vielen lustigen Wortbildungen. Es lohnt sich, beide Sprachen mal zu studieren. Sie haben jedoch keine Chance, jemals so viele Anhänger zu finden wie das Esperanto.

Rapidlingue:
http://­rapidlingue.wordpress.com/2011/­07/31/gramatike-de-rapidlingue/

Toki pona:
Toki Pona Lessons Menu

Konjugationskombinatorik

Für die Konjugation sind fünf Ebenen oder Merkmale maßgeblich. Sie können als Mengen aufgefasst werden.

Person
P ={1. Person, 2. Person, 3. Person}, |P| = 3

Numerus
N = {Singular, Plural}, |N| = 2

Tempus
T = {Präsens, Imperfekt, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I, Futur II}, |T| = 6

Modus
M = {Indikativ, Konjunktiv}, |M| = 2

Genus
G = {Aktiv, Passiv}, |G| = 2

Damit ergibt sich eine maximale Kombinationsmöglichkeit für die Konjugation:

|P X N X T X M X G| = 3 x 2 x 6 x 2 x 2 = 144

Beispielssatz

"Ihr werdet belohnt".

Das ist ein 5-Tupel aus {P, N, T, M, G}

"ihr" ist Element von {P, N}
"werdet" und "belohnt" sind Elemente von {T, M, G}