Stellt euch sich vor, ihr müssten die Logik in einer präzisen Sprache beschreiben, die zugleich alle Phänomene der Logik beinhaltet und in sich frei von Widersprüchen ist. Ihr könntet vorgehen wie der alte Aristoteles, die eigene Muttersprache benutzen, bekannte Begriffe benutzen, sie zu Akronymen (Akürzungen) verkürzen und ein System an Regeln zusammenzustellen. Diese Vorgehensweise würde der natürlichen Sprache nachempfunden, von den Buchstaben ausgehen, daraus Wörter bilden und Sätze bilden, die möglichst einen Sinn ergeben, also praktisch vom Einfachen zum Komplexen fortschreiten.
Eure logische Sprache würde der natürlichen Sprache ähnlich sehen, allerdings stark eingeschränkt auf ganz wenige sprachliche Elemente sein. Und sie dürfte keine persönlichen Wertungen oder individuell „verschrobene” Ansichten enthalten, sondern intersubjektiv überprüfbar und als brauchbar beurteilt wird. Das Ziel Ihrer logischen Sprache sei unverrückbar auf die Begründung (den „Beweis”) von mathematischen Aussagen und damit schließlich auf die gesamte Mathematik ausgerichtet. Mit einer logischen Sprache würdet ihr dem Gebäude der Mathematik eine feste Grundlage geben. Es würde genügen, mit einfachen Materialien zu arbeiten und aus ihnen stabile Grundmauern zu errichten. Ihr wärt der Baumeister der Mathematik und müsstet wie er, den Stift in die Hand nehmen und rechnen, was früher die alten Römer mit kleinen Steinen aus Kalk gemacht hatten. Die nannten sie „calculus”, daher der moderne Name Kalkül (von lat. calculus „Rechenstein, Spielstein“) mit dem bestimmten Artikel „der”!
Ihr würdet statt dieser Steinchen mit Buchstaben und besonderen Zeichen umgehen und daraus ein sprachliches Gebäude aufbauen, ein System von Regeln und Aussagen. Statt „eins plus eins ergibt zwei” würdet ihr zwei Aussagen verketten und sagen „Aussage 1 mit der Aussage 2 verbunden ergibt eine dritte Aussage” oder „wenn die Aussage 1 wahr ist und die damit verbundene zweite Aussage auch wahr ist, dann lege ich fest, dass ihre gemeinsame Verbindung auch wahr sein soll.”
In eurer Logik stünden nicht Zahlen im Vordergrund, sondern bestimmte abstrakte Aussagen und Regeln, die mit diesen Aussagen in enger Verbindung stehen. Dieses logische System sollte allerdings nicht willkürlich oder abstrus sein, sondern sollte Ihrem angeborenen logischen Denken folgen, auch für andere nachvollziehbar sein. Ihr würdet eure eigene Lebenserfahrung abstrakt in dieses System übertragen. Eure Lebenserfahrung und eure Erkenntnisse daraus wären die empirische Stütze Ihrer logischen Sprache, die euch wiederum zu neuen Erkenntnissen führen würde. Der fortlaufende Abgleich mit der Realität würde eurer logischen Sprache die nötige Plausibilität und Akzeptanz von anderen Mathematikern geben.
Das zeigt deutlich, dass die Mathematik eine Geisteswissenschaft ist und nicht über Experimente empirisch bewiesen werden kann. Habt ihr euch erst einmal für eine bestimmte Denkrichtung entschieden, müsst ihr diese bis zum Schluss durchhalten und bei Unregelmäßigkeiten oder logischen Brüchen diese kennzeichnen. Nur offensichtlich irrige Ansichten oder mathematische Verfahren, die sich als unzureichend oder unpraktisch herausstellen, dürft ihr sie getrost aufgeben.
Im Folgenden stelle ich ein Kalkül vor, das ich schön finde.