Die Grundstruktur

Wir konnten das Integral geometrisch berechnen, solange sich die Funktionen auf einfache geometrische Gebilde wie das Dreieck oder Quadrat zurückführen ließen. Wie es aber mit komplizierteren Funktionen? Wie kann man ein Verfahren zur allgemeinen Lösung von Flächenberechnungen entwickeln? Das wird nun unsere Aufgabe sein. Dadurch werdet ihr tief in das mathematische Denken einbezogen und zu guten Mathematikern ausgebildet. Formeln auswendig lernen kann jeder, aber diese Formeln herzuleiten, das ist eine geistige Herausforderung.

 

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Unser Ziel ist, für Funktionen aller Art eine Anweisung zu entwickeln, die praktikabel und überschaubar ist. Die Abbildung zeigt, was dazu nötig ist. Einmal muss man die Funktion angeben. Allgemein würde sie [image] lauten. Dann müsste man ggf. die Integrationsgrenzen[image] und [image] auf der [image]-Achse angeben.

 

Das Beispiel [image] auf Seite 35 kann wertvolle Hinweise darauf geben. Hier liegt ein bestimmtes Integral mit den Integrationsgrenzen [image]und [image]vor, das geometrisch gelöst wurde. Die Lösung besteht aus der Differenz zweier Termen.

 

 

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Das Integral mit den beiden Termen könnte man in allgemeiner Form so schreiben:

 

 

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Die beiden Integrationsgrenzen kommen in den beiden Termen, die ich jetzt als großes [image] geschrieben habe, wieder vor.

 

Wie groß ist nun [image]? Das ist die spannende Frage. Die Antwort darauf ist, nutzen wir einfach eine Formel, die wir bereits kennen, nämlich die Flächenberechnung für das Trapez. Warum das?

 

Schaut euch mal das die Abbildung genau an. Dann werdet ihr erkennen, dass die graue Fläche unter der Kurve wie ein senkrecht aufgestelltes Trapez aussieht.

 

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Bei der Flächenberechnung eines Trapezes werden die Längen der beiden parallelen Seite addiert und durch 2 geteilt. Dann multipliziert man den Quotienten noch mit der „Höhe“.

 

(Obere Parallele) a

 

[image] [image]

 

(Untere Parallele) b

 

Die Fläche eines Trapezes beträgt

 

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In der Abbildung mit der Funktion [image] findet ihr das rechtwinklige Trapez wieder. Es steht aufgerichtet mit der Spitze (oben rechts). Die kürzere obere Parallele[image] steht senkrecht. Die untere längere Parallele [image] steht ebenfalls senkrecht auf der [image]-Achse. Die Bezeichnung „Parallele“ können wir hier nicht mehr gebrauchen. Wir brauchen ihre jeweilige Länge. Die Senkrechte [image] hat die Länge in allgemeiner Form geschrieben von [image]. Ihr Counterpart [image] hat den Funktionswert [image].

 

Um die Fläche unter der Funktion angeben zu können, brauchen wir nur noch die Höhe[image] zu bestimmen. In der Abbildung muss man den Kopf „verrenken“ und erkennt so, dass sie die Differenz der Integrationsgrenzen ist.

 

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Nun setze ich die eben erarbeiteten Variablen in die Trapezformel ein.

 

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Macht euch noch einmal klar, was sich hinter diesen Variablen verbirgt. Ihr wisst schon, die Sache mit den Parallelen und der Höhe.

 

Es geht weiter mit der Entwicklung einer brauchbaren Integrationsformel. Ich setze die Trapezformel [image] an unsere allgemeine Integralfunktion:

 

 

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Uns interessiert nur der Teil hinter dem Gleichheitszeichen:

 

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Dividieren des Terms [image] auf beiden Seiten ergibt:

 

 

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Das Gebilde habe ich[image] genannt. Es wird als Stammfunktion bezeichnet.

 

Nun den Grenzprozess durchführen, indem die Differenz [image] ganz klein gemacht wird. Das ist die erprobte Vorgehensweise der Differenzialrechnung. Man schreibt [image] vor den Ausdruck und gibt an, welche Variable sich an welchen Wert annähern soll. Bei unserem Integral soll die Differenz unendlich klein werden, also praktisch die beiden Endpunkte [image] und [image] auf der [image]-Achse zusammenfallen.

 

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Den Grenzwert errechnen.

 

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Beim Grenzprozess [image] wird die Variable [image] durch [image] ersetzt. Anschließend addieren und kürzen durch [image]. Dann die Gleichung ein wenig „straffen“ und die feste Zahl [image] durch ein beliebiges [image] ersetzen, damit man eine allgemeine Funktion erhält.

 

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Weil die Stammfunktion [image] differenziert wurde, schreibt man einen kleinen Strich daran [image]. Was ihr hier seht, ist der Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung, nämlich dass man die Operationen der Differenzrechnung auch für die Integralrechnung nutzen kann und umgekehrt.

 

Vorgehensweise: Um die Funktion [image] hinter dem Integrationszeichen ermitteln zu können, muss man eine Funktion finden, deren Ableitung [image] genau diese Funktion [image] ergibt.

 

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Ein Integral zu berechnen besteht darin, seine Stammfunktion zu finden. Daher kann man diese Tätigkeit als Umkehrung des Differenzierens bezeichnen. Statt differenzieren ist auch der Begriff ableiten üblich.