Martin Luther

Nachdem ich das Finanzamt mit Belegen versorgt habe, ging ich spazieren und reflektierte über mein Leben. Das sollte jeder mal machen. Mir kam die letzte Zeit in der Universität in den Sinn, was ich dort erlebt und alles gelernt habe. Das größte Aha-Erlebnis hatte ich durch den Hebräischkurs, wo wo wir kleine Bibeltexte übersetzt haben. Mir wurde klar, dass Martin Luther eine Übersetzung hinterlassen hat, die so deutsch war, wie es eben geht, aber nicht die originalen Gedanken hinter den Texten wiedergab. Stilistisch hat er sich von dem hebräischen Text total entfernt. Er hat die Texte so interpretiert, wie er sie als Deutscher empfand, nicht aber wie Juden, die der hebräischen Sprache mächtig sind und sie als Muttersprachler beherrschen. Hebräisch ähnelt mathematischen Strukturen mit einem Wortschatz, der nicht scharf umrissen ist wie z.B. Lateinisch. Wenn Luther auf seiner Gnadentheorie herumritt, hätte man es auch anders übersetzen können, ohne das Wort Gnade überhaupt zu verwenden. Er schuf mit seiner Übersetzung eine neue Religion, die mit dem Judentum nichts zu tun hat. Wenn ich jetzt Luthers pathetische Übersetzung mit dem hebräischen Originaltext vergleiche, bekomme ich einen Lachanfall. Bevor ich nun Hebräisch erlernte, hatte ich mich anhand der theologischen Fachliteratur mit den Evangelien beschäftigt und kann mich jetzt persönlich über die hebräische Sprache von der Richtigkeit überzeugen, wie das Judentum von Jesus ausgeprägt gewesen war. Er war ja kein Christ im heutigen Sinn. Er wurde durch die griechisch geschriebenen Evangelien erst dazu gemacht. Durch die Verwendung der griechischen Sprache wurde Jesus zu dem, als was er heute angesehen. Die griechischen Evangelien kann ich nun auch verstehen und mit dem Hebräischen vergleichen. Ich lerne immer mehr und kann immer besser die Texte verstehen. Ich lag also damals mit meinem Gedanken richtig, wie ich sie in meinem Buch über das jüdische Evangelium niedergeschrieben hatte. Das ist das schönste Erlebnis in der letzten Zeit. Nach schweren Jahren persönlicher Schicksalsschläge geht es seit meiner Pensionierung psychisch und mental voran. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, das ich nun glücklich bin.