Stellt euch mal vor, ich hatte heute eine Privateinführung ins Sanskrit durch Professorin Niklas. Es sind so wenig Indologie-Studenten im Institut. Ich bin in einen Fortgeschrittenenkurse gelandet, in dem originale Sanskritlektüre in einer Gruppe mit vier Personen behandelt wurde. Damit ich überhaupt mithalten kann, muss ich mich durch die umfangreiche Lautlehre quälen und selbstständig die erste Übung anfangen. Das ist eine echte Herausforderung. Man könnte auch vom Sprung ins kalte Wasser sprechen. Über die Sanskritliteratur wird sich mir ein neues Fenster in die Menschheitskultur geöffnet. Das ist es wert, mich anzustrengen. Im Foto seht ihr die Analyse des ersten Übungssatzes durch Prof. Niklas.
Heute hat uns Professorin Niklas vom Seminar für Indologie einen Unterricht zu zweit gegeben. Sie ist eine freundliche und angenehme Lehrerin, eine Kapazität auf ihrem Gebiet. Sie hat uns gezeigt, wie man das Sanskrit richtig lernt. Dazu muss man es schreiben und die Sätze analytisch auflisten. Die Benutzung des Wörterbuchs ist unumgänglich. Es ist besonders schwer, die einzelnen Wörter aus den Sätzen herauszufiltern. Sie werden gewöhnlich aneinandergefügt und dabei finden Lautveränderungen statt, die Sandhi heißen. Eine verwickelte Sache. Das Wörterbuch zu benutzen ist nicht leicht. Die Buchstabenreihenfolge ist anders als im lateinischen Alphabet. Seltsame Schrift, unübersichtliche Wörter, fremdes Wörterbuch und eine ausufernde Grammatik. Hier ist auch alles schwer. Ich hoffe, meine Mitstudentin hält durch, sonst bin ich allein und komme immer dran. Meine Hausaufgabe ist noch nicht beendet. Ich brauche eine Pause. Pfff.
Sanskrit zu übersetzen ist für Anfänger wie mich sehr mühsam. Für zwei kurze Sätze habe ich eine Stunde gebraucht. Das ist enorm. Der größte Zeitfresser ist die total andere Anordnung der Vokabeln im Wörterbuch. Ich lege mir das Alphabet zurecht und vergleiche die Position, wo denn das gesuchte Wort wohl stehen könnte. Eine echt mühsame Sache. Hinzu kommt, dass das Lehrbuch von Adolf Stenzler nicht für den Selbstunterricht geeignet ist. Es besteht aus einer sehr knappen Darstellung aller Sanskritregeln, geordnet nach grammatischen Themen. Man muss auf jedes Wort achten, sonst verliest man sich ganz leicht. Ohne einen Lehrer lässt sich Sanskrit nicht erlernen. Ich habe gleich zwei Lehrer, einmal Master Pascal Coenen im linguistischen Seminar und Professorin Niklas vom indologischen Institut. Da werde ich wohl diese äußerst schwierige Sprache packen. Jedenfalls habe ich die Übungssätze so weit vorbereitet, wie es es ging. Wer seine Gehirnzellen auf Trapp bringen will, sollte es mit Sanskrit versuchen.
Es ist erstaunlich, welche Gemeinsamkeiten es zwischen Sanskrit und dem Lateinischen oder Altgriechischen gibt. Sie dienen mir als Merkhilfen. Mit dem assoziativen Lernen bleiben fremde Wörter besser im Gedächtnis haften. Außerdem erspart es Lernzeit. Eine fremde Sprache beherrscht man erst, wenn man sie ohne weiteres Nachdenken aus dem Kopf niederschreiben kann und die grammatischen Regeln erkennt. Das wird mit Sanskrit noch etwas dauern. Ohne die vielen Lautveränderungen im Satz wäre ich schon viel weiter. Immerhin finde ich die Wörter im Wörterbuch schon schneller. Damit es hier nicht zu einfach wird, werden die Verben nach einem bestimmten Lautschema einsortiert. Wenn man es nicht kennt, ist man aufgeschmissen. Das habe ich am eigenen Leibe erfahren. Wer Sanskrit erlernen will, sollte stressresistent sein und sich auf harte Arbeit einstellen. Dagegen ist English ein Kinderspiel.
Es gibt keinen Stillstand bei mir. Ich beschäftige mich mit Sanskrit, der Sprache der Bhagavadgita. Die Schwierigkeit beginnt mit der Schrift, die mehr Buchstaben als die lateinische Schrift hat und zudem noch auf seltsame Art verbunden werden. Interessant ist diese Sprache auf alle Fälle. Ich bin gespannt auf neue Erkenntnisse und Einsichten.
Sanskrit ist wirklich nicht einfach. Es werden dort Wörter zusammengeschrieben, die eigentlich getrennt sein müssten. Hinzu kommen die Lautveränderungen innerhalb solcher Wortmonster. Das macht das Verstehen enorm schwer. Eine solche Sprache habe ich noch nicht erlebt. Was wir zur Zeit übersetzen, sind Sinnsprüche mit mehr oder weniger Sinngehalt. Oft klingt es verschroben. Wie ich die vielen grammatischen Regeln überhaupt behalten soll, ist mir noch unklar. In jeder Sitzung wird neuer Stoff dargestellt mit so vielen Regeln, schlimmer als im Altgriechischen. Augen zu und durch, oder doch lieber Augen auf und durch?
Geschafft. Der Sanskritkurs ist durch. Wir haben die ganze Grammatik dieser schwierigen Sprache durchgenommen, aber ich habe zu wenig davon behalten. Zumindest kann ich die Schrift mit den Ligaturen fließend lesen und Wörter im Wörterverzeichnis rasch finden trotz der völlig anderen Anordnung der Buchstaben. Jetzt beginnt meine persönliche Nachbereitungsphase in den Semesterferien, die wirklich notwendig ist. Zum Schluss des Kurses sind nur drei Studenten übrig geblieben. Es sind also noch freie Plätze vorhanden. Wer im nächsten Semester am Lektürekurs teilnehmen möchte, kann ruhig vorbeikommen.
Ort: Philosophikum
Adresse: Albertus-Magnus-Platz, 50931 Köln
Sanskrit ist eine Sprache für Freaks. Wer sein Gehirn auf Trab bringen will, hat hier eine Fundgrube für Regeln ohne Ende und deren unendliche Variationen mit Ausnahmen aller Art, Sonderregeln, Lautveränderungen, Besonderheiten. Diese Sprache ist mir ein Rätsel. Aufgeben ist aber keine Option. Ohne die klassische Literatur im Original lesen zu können, erschließt sich deren Sinn nicht. Übersetzungen sind leider nur eine Krücke. Sie können auch in die Irre führen. Ohne Sanskrit würde ein bedeutender Baustein in der Indogermanistik fehlen. Übrigens hat diese Sprache einiges mit dem Russischen gemeinsam, aber weniger mit dem Lateinischen. Das ist schon erstaunlich. Ich lerne eine neue Gedankenwelt kennen, was sehr spannend ist. Ich freue mich auf neue Entdeckungen und Erkenntnisse.
Der Ernst des Lebens hat wieder begonnen, auch per Internetschaltung von der Universität. Der freundliche Professor Hill hat uns fünf Sanskritsätze zum Übersetzen aufgegeben. Ich habe heute für den ersten Satz eine Stunde gebraucht. Das ist ein Riesentempo, bei dem mich eine Schnecke noch überholt. Wer jetzt lacht, den melde ich bei unserem Sanskritkurs 2 an. Beim Sanskrit ist alles schwer, Schrift, Grammatik und Satzverständnis, ein richtiger Kandidat für eine erfolglose Plansprache, haha.
Glaubt jemand, dass man eine Stunde mit der Übersetzung eines altindischen Satzes braucht? Ich führe mal vor, warum das so lange dauert. Zu übersetzen ist:
atisthanmanujendranam murdhni devapatiryatha
So sieht der Satz in der Umschrift aus. Ich konnte die Sonderbuchstaben hier nicht angeben. Aber es geht auch so.
Das erste Wort besteht aus drei Wörtern:
atisthat (er stand) < a-tistha-n
manuj (ein Mensch) < manuj-e
indr-anam (Indra + Endung Genitiv Plural)
murdhni (an der Spitze = Lokativ Singular)
Wörtlich: "Er stand an der Spitze der Könige"
Man muss sein Gehirn auf Hochtouren bringen, um diese Einzelwörter zu isolieren, denn es ist nicht vorn vornherein klar, wo sie anfangen und wo sie enden. Auch werden sie nicht einfach aneinander geschrieben, nein, bestimmte Lautregeln (Sandhi) verändern die Wortausgänge stark. Wo eigentlich ein "t" (atisthat) stehen sollte, befindet sich ein "n" (atisthan). Aus einem "i" (Indra) wird ein "e" (Endra). Dann muss man noch die Kasusendungen erkennen, wie hier den Genitiv Plural (-anam) und den Lokativ (-i) , ein Fall, der in modernen indoeuropäischen Sprachen nicht mehr vorkommt. Weil Sanskrit eine flektierende Sprache ist, gibt es für eine bestimmte Kasusendung verschiedene Varianten dieser Endung. Das muss man natürlich berücksichtigen und diese können je nach den vorangehenden Konsonanten leicht anders ausgesprochen werden. Da kommt Freude auf.
Das letzte Wort devapatiryatha besteht aus drei Wörtern:
deva (Gott)
patir (-s) (Oberhaupt)
yatha (wie)
Daraus wird dann: "wie der Götterherrscher"
Auch hier musste man erkennen, dass das Schluss-r (patir) eigentlich ein Schluss-s ist.
Sanskrit ist nichts für Schnellleser, auch nicht für verwöhnte Englischkenner. Hier braucht man viel Zeit zum Analysieren, Nachschauen im Wörterbuch und der Grammatik und zum Nachdenken. Es ist nahezu unmöglich, diese Sprache autodidaktisch zu lernen. Ein erfahrener Lehrer ist unumgänglich. Professor Hill vom Institut für Linguistik ist einer davon.
In meiner Sprache lautet der obige Satz:
Il steba pa l’acro del reugi coma la deuulorego.
("Er stand an der Spitze der Könige wie der Götterherrscher.")
il (er), steba (stand), pa (an), la (der), acro (Spitze), del (der = Genitiv) reug-i (Könige), coma (wie), deuulorego (Götterherrscher).
Dieser Satz lässt ich in einem Zug herunterlesen und ist sogleich verständlich, ohne komplizierte Lautveränderungen oder Zergliederung einzelner Wörter. Man erkennt, dass jedes Wort auf einen Vokal endet. Jedes Wort ist leicht identifizierbar. Hätte ich das Konzept der alten Inder mit konsonantischen Endungen übernommen, wäre es auch zu phonetischen Kollisionen mit dem nächsten Wort gekommen. Das zeigt, warum es außerordentlich wichtig ist, sich Gedanken über die Lautung im Satz Gedanken zu machen, sonst landet man bei komplizierten Lautveränderungsregeln.
Eine Plansprache sollte immer einfacher als natürliche Sprachen sein.
Heute ist wieder Sanskrit-Tag für mich, eine Überwindung der eigenen Trägheit und Unzulänglichkeit. Diese Sprache ist eine Herausforderung, so wie das Leben eine Herausforderung ist. Man kann darauf hedonistisch reagieren und nur die Sachen erledigen, die Spaß machen oder man zieht die Bergsteigermontur an, um einen Achttausender zu besteigen. Ich wähle den steilen Weg. Nur er führt nach oben. Wer den Spaßweg wählt, hat seinen Spaß, aber braucht wie ein Abhängiger immer mehr davon, bis es öde wird. Sich zu stählen und selbst zu überwinden, führt zur Zufriedenheit. Das wird jeder Bergsteiger bestätigen. Auf dem steinigen Weg hat man nicht immer Erfolge. Ich bin bei einem Wort im Satz (s.u.) an einem Felsüberhang hängen geblieben. Eine Umkehr gibt es aber nicht. So muss ein erfahrener Kamerad einspringen und das nötige Eisen geben. Mein Rat an junge Leute ist: Gebt nicht auf, auch wenn die Probleme riesengroß sind. Haltet durch im Team und unterstützt einander.
Der Unterschied zwischen dem Lernen von Fremdsprachen in der Schule und in der Universität ist das Alter, nicht der betreffenden Sprache, sondern des Lerners. Jugendliche vermögen Texte zu übersetzen, ob sie diese in einen sozioökonomischen und historischen Kontext einordnen können, der über ihre derzeitige Erkenntniswelt hinausgeht, bezweifele ich. Jedenfalls ist mir dieser Gedanke bei der Reflexion über einen alten vedischen Textes gekommen, den wir Studenten der Indogermanistik gemeinsam online übersetzt hatten. Es handelte sich um einen Liebeszauber aus dem Arthavaveda, der von einem liebenskranken Mann beim Brahmanen für den Gegenwert einer Kuh bestellt werden konnte, ganz schön teuer für eine Voodoo-Puppe mit Nadeln im Herzen. Sie wurde tatsächlich für diesen Zweck hergestellt. Wenn man sich mühsam Wort für Wort durch den Text quält, denkt man intensiver über den Inhalt nach als in einer deutschen Übersetzung, die den Filter des jeweiligen Übersetzers trägt. Bei unpräzisen Wörtern muss der Übersetzer immer eine Auswahl treffen. Gerade in solchen Dichtungen wimmelt es von unpräzisen Wörtern, gut für Fühler und Schwärmer geeignet, was bei mir aber nicht gerade beliebt ist. In dem Liebeszauber geht es darum, die Herzensdame durch ein magisches Ritual zu bezwingen, so dass sie willenlos würde und auf den Liebestollen zukriechen würde. Das benutzte Verb dafür kommt auch in dem Wort für Schlange vor. Nicht nur das, auch ihre Eltern sollten gleich mit manipuliert werden und ihre Zustimmung zur Heirat geben. Dieses Bild von magischen K.O.-Tropfen hat mich abgestoßen. Wie wäre es, die Herzensdame mal anzusprechen und ihre Zuneigung durch eigenes liebevolles Tun zu erreichen? Soziologisch betrachtet zeigt diese poetische Darstellung die patriarchalische Struktur der indischen Gesellschaft. Das ist bis heute so geblieben. Die alten Götter sind noch da und auch die Brahmanen rezitieren noch die gleichen vedischen Texte. Religion ist ein wahres Opium für Männer, die Frauen unterdrücken wollen, ob subtil oder offen. Hier können sie ihre Phantasien ausleben, die von den jeweiligen religiösen Autoritäten legitimiert werden. Ob es sich überhaupt lohnt, solche Texte in die Urésa zu übersetzen, ist fraglich, und wenn, dann nur mit einem dicken Warnhinweis, wie so viele andere alte religiöse Texte aus anderen Kulturen. In der plebejischen Gesellschaftsordnung würde die Gleichstellung der Geschlechter durch entsprechende strukturelle Maßnahmen verwirklicht, nicht über eine andere sprachliche Codierung wie in der bürgerlichen Gesellschaft, die nichts taugt. Symbolische Handlungen sind diesem Gesellschaftstyp vorbehalten. Das wird nur möglich sein, wenn die Frau ihren Lebensunterhalt selber erbringt und finanziell auf eigenen Beinen steht. Diese Maxime steht im krassen Widerspruch zu den abrahamitischen Religionen, die vom Kern her männerzentriert sind und der Frau den Job als Hausfrau vorschreiben. Im Christentum hat es in dieser Hinsicht schon Neuerungen gegeben, in der Religion des Mohammed von Mekka jedoch nicht, auch nicht bei den meisten religiösen Juden. Auch Religionen bestehen nicht ewig. Ihr Untergang tritt ein, wenn die weiblichen Mitglieder rebellieren, was auch ohne große Diskussion oder Rechtfertigung vor sich gehen kann, indem die Frau ihre traditionelle Rolle nicht mehr annimmt und auf die Heirat mit einem konservativen Mann verzichtet. Sie braucht keinen Versorger und kann ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit selber finanzieren. In der plebejischen Gesellschaft würde die Frau tatkräftig gefördert, so dass das Märchen vom Aschenputtel, das auf einen vermögenden Mann hofft, ein Märchen bleibt. Wer hätte gedacht, welche gesellschaftliche Dimensionen ein alter indischer Liebeszauber annehmen kann? Sich mit alten Sprachen zu beschäftigen ist also keine Zeitverschwendung.