Türkischer Sufismus

Sufis haben in der Türkei ein hohes Ansehen bei denen, die sich mit der Mystik beschäftigen. Ob allerdings die Sufis das sind oder ihre Lehre das transportiert, was man allgemein glaubt, steht auf einem anderen Blatt. So habe ich ein Zitat gefunden, dass die Türken in ein schlechtes Licht rückt, obwohl dies objektiv so nicht zu zutrifft. Seitdem ich ein solches gelesen habe, bin ich sehr zurückhaltend bei Herrn Rumi. Djelaleddin Rumi schrieb unter anderem:

"Die Erbauung der Welt ist ein Merkmal der Griechen, die Vernichtung der gleichen Welt ist den Türken vorbehalten." Quelle: "Die türkische Gefahr? Risiken und Chancen", Herbig Verlag, 2004

Ich persönlich halte die Türken für ein Volk, das in seiner Geschichte schon viel Kreativität und Intelligenz bewiesen hat und Achtung verdient. Eine türkische "Gefahr" gibt es nicht.

Was bedeutet eigentlich Mystik im Islam? Mir kommt das wie eine persönliche Unverbindlichkeit vor, die nichts von Gesellschaftsstruktur, Organisation, Recht und allen nötigen Institutionen für eine funktionierende demokratische Grundordnung versteht. Ein individueller Rückzug in den kleinen Rahmen von Familie und Freunden oder Bekannten ist keine Stütze für einen arbeitsteilig organisierte Gesellschaft auf einer bestimmten Produktionsstufe. Das individuelle Empfinden oder die Ausrichtung auf ein Jenseits und informelle Kontakte taugen nicht, eine solche technologisch hoch entwickelte und von allen gewünschte Ökonomie (99%) und das bequeme Leben darin zu etablieren und stabil zu halten. Mystiker tendieren eher dazu, alles ihnen Unbequeme und alles, was harte Arbeit bedeutet, zu negieren und sich in ihr Schneckenhaus der Emotionen zurückzuziehen und sich darin wohl zu fühlen. Ohne eine entwickelte Rechts- und Verwaltungsordnung wie sie durch den orthodoxen Islam entwickelt wurde, hätte es keine islamische Hochkultur gegeben. Das hätten die Mystiker nie geschafft. Bei uns heißen die Mystiker Esoteriker, die auch nichts auf die Reihe kriegen außer halbwissenschaftliche Bücher zu schreiben oder zu lesen.


Ich halte die Mystiker nicht für wegweisend für unsere Gesellschaft. Ihre Ratschläge und Ansichten sind so austauschbar in allen Kulturen (auch im Buddhismus) und stimmen immer. Ok, wer sie gut findet, doch mir geben ihre Ansichten nichts.

Die europäische Esoterik ist verglichen mit der islamischen Mystik nur ein Spatz. Was die türkischen Mystiker geschrieben haben, kommen mir bekannte christliche Lehren und Denkweisen in den Sinn. Das Gleiche sagen auch Christen, nur verweisen sie nicht auf den Koran. Ich habe den Eindruck, dass in Kleinasien, wo ja die christliche Lehre im 3. Jahrhundert endgültig kanonisiert wurde, die islamischen Konvertiten ihre alten religiösen Vorstellungen größtenteils bewahrt hatten und nur die wichtigen neuen Dogmen über den Gott und den Propheten Mohammed angepasst hatten.

Was türkische Sufis schreiben, erscheint mir so bekannt "christlich", jedoch ohne die spezifischen christlichen Dogmen vom Sohne Gottes und der Gottesmutter Maria. Das ist schon recht paradox. Das lässt nur den Schluss zu, der Islam ist doch "christlicher" als seinen Anhängern bewusst ist.


Bei den Predigten der Salafisten sind Parallelen zum Protestantismus unverkennbar. Die sind ganz deutlich. Der Islam konnte sich in der Geschichte so schnell verbreiten, weil er eben so viel mit der Religion der Eroberten gemeinsam hatte, später unter anderem auch die im Frühislam unbekannten muslimischen Mönche und Kloster. Die sind deutlich christlichen Ursprungs. Die Türken haben dann noch ihnen ihre Tänze beigebracht und dann waren es Sufis. Die Menschen aus Kleinasien waren schon immer sehr kreativ und schufen aus dem Vorhandenem etwas neues Altes. Die Türken können mehr als "nur" tanzen. Doch die Sufis haben sehr viel mit dem Christentum zu tun, was sie neu dazu gefügt haben sind die türkischen Tänze.

In keinem christlichen Kloster tanzen nämlich die Mönche oder Nonnen. Das ist ein schönes Beispiel für einen religiösen Synkretismus, der in Kleinasien häufig anzutreffen ist. Die Kleinasiaten haben erst das Christentum in der heutigen Ausprägung geschaffen und sie haben auch den sunnitischen Islam verändert. Das sind geschichtliche Tatsachen. Wie der Einzelne dazu steht, ist bei einer wissenschaftlichen Betrachtung unwichtig.

Die türkische Mystik zu mögen, ist nicht zu kritisieren. Ich kann mit dem Individualismus und der Beliebigkeit der Sufi-Lehren nicht viel anfangen. Sie erinnern mich an die frühen christlichen Gnostiker, deren Schriften ebenso mystisch waren und gerne geheim gehalten wurden. Letztlich wird Deutschland und dann Europa islamisch nach der ursprünglichen Lehre, die den Christen so vertraut ist und nicht nach den späteren türkischen Gnostikern, die sich Mystiker nennen, denke ich.