Tempus (Chinalinga)

Wie viele Denkvorgänge braucht man, um etwas in verschiedenen grammatischen Zeiten auszudrücken? Damit meine ich z.B. die verschiedenen Tempora bei der Kopula („sein“) im Lateinischen oder Deutschen. Ein Beispiel: ich bin dumm. Ich war dumm. Ich werde dumm sein. ich bin dumm gewesen. Ich war dumm gewesen. Und zum Schluss: ich werde dumm gewesen sein, wenn man hellseherische Fähigkeiten hat. Das sind also sechs Tempora mit jeweils sechs Personenangaben, also insgesamt 36 verschiedene grammatische Formen. Das Lateinische schöpft dieses Potential völlig aus und traktiert das Gehirn jeden Lateinachülers nachhaltig. Ginge es auch etwas einfacher mit weniger Hirnverrenkungen? Das Englische macht es ja vor. Antwort: Es geht lückenlos. Für meine Plansprache habe ich dieses Prinzip verfolgt, jedoch auf dem Lateinischen aufgesetzt, wie ihr noch feststellt.

(Stand: 14.06.2024)


Präsens: me (ich bin)
mu e
Aorist: ebam (ich war)
mu eba
Futur I: seram (ich werde sein)
mu sera

Perfekt: fu em (ich bin gewesen)
mu fu e
Plusquamperfekt: fu ebam (ich war gewesen)
mu fu eba
Futur II: fu seram (ich werde gewesen sein)
mu fu sera

Wer aufpasst hat, dem fällt auf, dass der zweite Block auf dem ersten Block aufbaut und sich nur durch das Partikel „fu“ unterscheidet. Es verweist auf den perfektiven Aspekt, also auf etwas zeitlich Abgeschlossenes.

Dieses Kopulasystem nutze ich auch für die Vollverben. Eine praktische Sache.

Ich führe euch das vor, indem ich Bindestriche setze. Sie werden natürlich sonst nicht geschrieben.

 

(Stand: 14.06.2024)


Präsens: fac-em (ich mache)
mu face
Aorist: fac-ebam (ich machte)
mu faceba
Futur I: seram fac-em (ich werde machen)
mu sera face

Perfekt: fu fac-em (ich habe gemacht)
mu fu face
Imperfekt: fu fac-ebam (ich hatte gemacht)
mu fu faceba
Futur II: fu seram fac-e (ich werde getan haben).
mu fu sera face

 

Hoffentlich keine Dummheiten.

Man kriegt also zwei für eins. Aus der Kopula ergeben sich die entsprechenden Endungen für die Verben. Wenn Lateinisch so einfach wäre, hätte es gewiss mehr Fans gewonnen. Aber wie es in der Schule oder akademischen Laufbahn so ist, man verkompliziert eine einfach verständliche Sache und meint oder behauptet dann ernsthaft, man wäre dadurch gebildet.

Auf den Fotos sind die lateinischen Kopulaformen als Kontrastprogramm aufgelistet.

Wie haben wohl unsere Vorfahren in der Frühgeschichte, wo es noch keine schriftlichen Überlieferungen gibt gesprochen? Das kann kein Forscher beantworten. Es gibt zwar die frühen sumerischen Schriften und die Texte der alten Inder, Griechen und Römer, aber davor ist leere Weite, also gar nichts, was nicht heißt, unsere Vorfahren hätten nicht sprechen können. Sie waren aber Analphabeten.

Keine Sprache ist primitiv, auch nicht die Pidgin-Sprachen oder Kreolsprachen, sogar die Plansprache Esperanto ist für Sprecher, die an andere Sprachstrukturen gewöhnt sind, schwieriger zu erlernen als von Europäern mit indoeuropäischen Sprachen, obwohl es nur wenige regelmäßige Morpheme hat. Jede Sprache hat Eigentümlichkeiten, die auf eine lange Sprachtradition schließen lassen. Schon die rekonstruierte indoeuropäische Ursprache strotzt von komplexen Morphemen, die für uns Heutigen mühsam erlernt werden müssen. Sie ist stark flektiert, d.h. die Endungen sind ein Wirrwarr sich überschneidender, mehrdeutiger Buchstaben oder Silben. Wer Fragen dazu hat, kann sich an den Kollegen Olivier Simon wenden, der sich darin bestens auskennt. Ich gehe davon aus, dass diese Flektionsendungen ein Produkt von Sprachmischungen und Abschleifungen bei frequentem Gebrauch sind. Man kann gut beobachten, wie die lateinischen Endungen in den romanischen Sprachen zusammengestampft wurden. Die Romanen waren so klug und haben neue, besser verständlichere Sprachen geschaffen als die Römer mit ihrem Latein. Der lateinische mehrdeutige Endungssalat hat mich schon immer gestört.

Für meine Plansprache habe ich ein übersichtliches Schema entwickelt, das von Simplexwörtern ausgeht und durch Komposition neue Wörter bzw. grammatische Entitäten bildet. Das klingt jetzt arg linguistisch. Für Laien heißt das: Lerne ein paar Endungen und füge sie sachgerecht an beliebige Wörter an. Aus Wenig mache Viel. Das erkennt man an den angehängten (enklitischen) Personalendungen, die der Kopula ("sein") ziemlich ähnlich sehen. Die Kopula selbst wird als Ausgangsmaterial für die Konjugation aller Vollverben benutzt.

Enklitische Personalpronomen mit Bindevokal -e. Es gibt noch den Bindevokal -a, dessen Formen ich hier aus Platzgründen nicht aufgelistet habe.

(Stand: 14.06.2024)
Singular
1. -em
mu
2. -es
tu
3. -e
lu


Dual
1. -au
mau

2. tau

3. lau


Plural
1. -im
mi (mimi = inklusiv)
2. -is
ti
3. -ei
li

Die Kopula "sein"

Präsens / Perfekt
me (ich bin)
fu em (ich bin gewesen)

Präteritum / Plusquamperfekt
ebam (ich war)
fu ebam (ich war gewesen)

Futur I / Futur II
seram (ich werde sein)
fu seram (ich werde gewesen sein)

Indikativ des Vollverbs "lieben". Die jeweiligen Kopulaformen werden als Endungen an die Vollverben angehängt oder wie im Futur davor gesetzt. Das habe ich durch Bindestriche verdeutlicht. Sie würden natürlich sonst nicht benutzt.

(Stand: 14.06.2024)
Präsens:
am-em (Ich liebe)
mu áme
fu am-em (Ich habe geliebt)
mu fu áme

Präteritum
am-ebam (ich liebte)
mu ámeba
fu am-ebam (ich hatte geliebt)
mu fu ámeba

Futur
seram ame (ich werde lieben)
mu sera áme
fu seram ame (ich werde geliebt haben)
mu fu sera áme

Ich meine, enklitische Personalpronomen klingen im Satz "schöner" als die selbstständigen Personalpronomen, z.B.

Mo ame ton. (Ich liebe dich.) < mo (ich), ame (lieben im Präsens), ton (dich)

versus

Amem ton. (Ich liebe dich.) < ame (lieben), -em (1.P.Sg.Präsens): ton (dich)

(Stand: 14.06.2024)

Mu áme tun.


Lateinisch-Kenner werden gewiss manche Ähnlichkeiten wieder finden, was auch beabsichtigt ist. Meine Sprache gehört dennoch typologisch zu den romanischen Sprachen. Ihre Grammatik ist aber regelmäßiger, und ihr Wortschatz ist modern.