Grammatik (Euralinga)

Grammatiküberblick

Eurolinga hat eine Minimal-Grammatik, die die Spracherlernung sowie die Sprachbeherrschung erleichtern soll.

- ein bestimmter (la) und ein unbestimmter Artikel (un)

- Substantive enden auf -o. Kennzeichen des biologischen Geschlechts (Sexus) ist -él (feminin) oder -íl (maskulin)

- Pluralbildung mit -i

- Adjektive bleiben unverändert. Sie haben die Endung -a

- die Verben enden auf -e. Die Tempora werden mittels Endungen oder Partikel gebildet. Präteritum: -eba, Futur: sera, Konditional: -isa (würde)

- Imperativ endet auf -é.

- Adverbbildung auf -u

- Ableitungen, z. B. exporte (exportieren), exporteo (Export), exportisto (Exporteur)

- Feste Wortstellung Subjekt – Verb – Objekt

Nehmen wir mal an, ihr wolltet eine neue Sprache lernen und könntet euch aussuchen, welche Grammatik sie hätte. Würdet ihr euch die schwierigste und lernintensivste aussuchen? Ja, lautet die Antwort, aber nur bei einem Promillewert oberhalb der tödlichen Dosis, wenn man schon ins Jenseits schwebt und den Tunnelblick hat. Ich zeige euch einen nüchternen Weg, aus wenigen Wörtern (Partikeln, Endungen) ein vollständiges Konjugationssystem zu erstellen.

Fange ich bei den Personen an. Es gibt die drei Personen "ich", "du", "er, sie, es" im Singular und die analogen Personalpronomen im Plural. Diese braucht man unbedingt.

Dann braucht man als nächste Zutat die verschiedenen Tempusmarker, die also angeben, in welcher Zeitstufe man sich befindet, grob gesagt "Vergangenheit", "Gegenwart" und "Zukunft" und ihre Abstufungen.

Das ist aber nicht genug, für ein gutschmeckendes Menü ist noch eine weitere Zutat nötig. Und zwar will man auch ausdrücken: "Das Essen wird gekocht" oder "Die Suppe ist angebrannt", also das Passiv.

Für die Eurolinga habe ich ein Viergängemenü vorbereitet.

Erster Gang: Die Kopula "sein" mit allen Gewürzen, den Zeiten.
Zweiter Gang: Das Hilfsverb "haben" als Vorspeise.
Dritter Gang: Das aktive Vollverb "essen" als Hauptgericht.
Vierter Gang: Das Passiv als süße Nachspeise.

Der Chefkoch serviert nun den ersten Gang:

Präsens:
me (ich bin), es (du bist), lo e (er, sie ist), so e (es ist) //
eimi (wir sind), eis (ihr seid), li sei (sie sind), si sei (sie sind)

Die Kopula e (sein) enthält im Plural ein -i.

Aorist:
ebam (ich war), ebas (du warst) ...

Futur:
seram (ich werde sein), seras (du wirst sein) ...

Weitere Ingredienzien würden den Rahmen des Menüs sprechen, sind aber nicht geheim.

Beim zweiten Gang hat der Chefkoch auf den ersten Gang zurückgegriffen und verfeinert sein Menü damit. Als neue Zutat nimmt er das Hilfsverb habe (haben) und verbindet es geschickt mit der Kopula.

Präsens:
habem (ich habe), habes (du hast) ...

Aorist:
hatam (ich hatte), hatas (du hattest) ...

Futur:
seram habe (ich werde haben) ...

Damit die Gäste nicht hungrig bleiben, wird der zweite Gang als Grundlage für den dritten Gang benutzt nach dem Motto: Alles, was in Küche ist, wird auch verbraucht. Ihr braucht nur "habe" (haben) durch "éde" (essen) austauschen.

Präsens:
édem (ich esse) ...

Präteritum:
édebam (ich aß) ...

Futur:
seram éde (ich werde essen) ...

Die leckere Nachspeise hat die Endung -ur (werden), wenn es sich um einen Vorgang handelt oder die Endung -áta (geworden), wenn etwas fertig ist.

Präsens:
La sopero cocure. (Die Suppe wird gekocht.)

Perfekt:
La sopero e cocáta. (Die Suppe ist gekocht.)

Für die anderen Zeiten bedient sich der gewiefte Chefkoch der bereits vorhandenen Zutaten und hat so ein preiswertes, dennoch ein leckeres Viergängemenü bereitet.

So einfach ist die Kochkunst in der Eurolinga.

Jeder hat einen Schlüssel, denn schlüssellos kann man nicht durchs Leben gehen. Ich habe sogar drei Schlüssel, einen für die Haustür, einen für die Wohnungstür und einen für den Briefkasten. Um eine Sprache zu beherrschen braucht auch mehrere Schlüssel, einen Universalschlüssel hatte ich euch für die Tempora gegeben. Heute gebe ich euch einen Schüsselbund für die Substantive, genauer gesagt für deren Deklination. Man muss doch irgendeinen vernünftigen Satz bilden können.

Babys fangen mit kurzen Wörter an zu babbeln und bilden dann Zweiwortsätze. Dieses Stadium können wir getrost überspringen und gleich mit einfachen prägnanten Sätzen beginnen. Dazu benutzen wir ein Schlüsselbund:

Erster Schlüssel: Nominativ (Wer-Fall) hat die Endung -o im Singular oder -i im Plural
Zweiter Schlüssel: Genitiv (Wessen-Fall) hat das Partikel del (des)
Dritter Schlüssel: Dativ (Wem-Fall) ist erkennbar an der Präposition al (dem)
Vierter Schlüssel: Akkusativ (Wen-Fall) ist dem Nominativ ähnlich -on im Singular bzw. -os im Plural. Bei Akzenten werden die Vokale lang gesprochen.

Jetzt klappern wir mit den Schlüsseln und lassen einige Sätze herausfallen. Sie enthalten die jeweiligen Kasusformen.

La domo e mega. (Das Haus ist groß.)
La coloro del viruso e herbeia. (Die Farbe des Virus ist grün.)
Il dice al femo: Amem ton. (Er sagt der Frau: Ich liebe dich.)
Videm toletopapiron. (Ich sehe Toilettenpapier.)

Das war‘s. Wem einige Wörter bekannt vorkommen, liegt richtig. Eurolinga ist eine romanische Sprache, die in der Kontinuität der guten alten lateinischen Sprache und ihrer historischen Neuerungen steht. Und sie wird schon von genau einem Sprecher benutzt. Wie sagt der Optimist, das ist besser als keiner.

Ich bin in eine Zauberschule gegangen und den Zauberstab und den Zylinder mitgebracht. Nur das Kaninchen habe ich nicht dabei. Das brauche ich auch nicht. Ich zaubere kein Schmusetier herbei, sondern viele nette Personalpronomen, die beim Sprechen wichtig sind.

Zuerst werfe ich vier Buchstaben (m, t, l, s) in den Zylinder und vermische sie mit dem Zauberstab. Dann füge ich vier Vokale hinzu und hoffe, dass ich eine Überraschung hervorholen kann. Drei Mal schwarzer Kater. Und ...

Aus den Konsonanten

m (ich)
t (du)
l (er, sie)
s (es)

zaubere ich nun mit den Vokalen a, o, i, u das hier hervor:

mo (ich), mi (wir) // mua (mein), mia (unser)
to (du), ti (ihr) // tua (dein), tia (euer)
lo (er, sie), li (sie) // lua (sein, ihr), lia (ihr)
so (es), si (sie) // sua (sein), sia (ihr)

Das sind Personalpronomen und Possessivpronomen, die jeder bei der täglichen Kommunikation gebraucht.

-o (Nomen Singular), -i (Nomen Plural) //
-ua (Possessivpronomen Sg.), -ia (Possessivpronomen Pl.)

Das schlanke "i" taucht also beim Plural auf, wie ihr unschwer auch bei den Possessivpronomen seht.

Jetzt nehme ich den Zylinder und setze ihn mir auf den Kopf. Dann fallen die Buchstaben in mein Gehirn und ich brauche nicht mehr denken.
Und damit ist meine Zauberstunde vorbei.

Je mehr man sich mit fremden Sprachen beschäftigt und sie miteinander vergleicht, umso mehr fallen die Unterschiede auf, wie die jeweiligen Sprecher mit der Sprachökonomie umgehen. Sprachökonomie bedeutet, wie viele Mittel sie zum Ausdruck bestimmter Informationen benutzen. Wie ich festgestellt habe, sind die alten indoeuropäischen Sprachen sehr unökonomisch strukturiert. Schaut euch mal die Ablautreihen an, nach denen bestimmte Wortarten oder das Tempus ausgedrückt wird, z.B. im Sanskrit:

jitaḥ („besiegt“) - jet
ā („der Sieger“) - ajaiṣam („ich besiegte“)

Beim ersten Wort wird ein "i" nach dem "j" benutzt, beim zweiten Wort ein "e" und beim dritten Wort ein "ai". Muss das so sein? Ich sage, nö. In meiner Sprache würde der Wortstamm "vinc-" (siegen) unverändert bleiben:

vinc-áta (besiegt) - vinc-ento (der Sieger) - vinc-ebam (ich besiegte)

Das ist doch leicht verständlich, während der Sanskritsprecher verschiedene Vokal- oder Diphthongveränderungen vornehmen muss. Sehr unökonomisch.

Diese Stammveränderungen erinnern mich ans Arabische oder Hebräische. Dort sind sie als Regelfall üblich. Die typologischen Ähnlichkeiten zwischen dem Indoeuropäischen und Semitischen sind hoch. Ich glaube nicht an einen Zufall und stelle mich gegen die meisten Forscher. Immer diese Querdenker - schrecklich!

Ich bin so frei und orientiere mich bei meiner Sprache an den zehn arabischen Verbalstämmen, die mit römischen Buchstaben bezeichnet werden. Sie haben eine bestimmte Bedeutung, die jedoch häufig schon verdunkelt ist. Auch Arabisch ist nicht mehr das, was es ursprünglich war. Ich möchte hier nicht alle arabischen Stämme durchsprechen, sondern nur darstellen, wie ich sie für meine Sprache benutzt habe. Ich übernehme nicht die originalen arabischen Wörter, sondern wende die arabischen Stammprinzipien auf den romanischen Wortschatz meiner Sprache an. Eine Sprachpanscherei kommt nicht in Frage. Ihr werdet sehen, dass es gut passt.

In der Liste werden die "normalen" faktitiven Verben hinter die jeweiligen Verben der einzelnen Verbstämme aufgelistet.

Verbstämme

I. Faktitiv

bibe (trinken)
cade (fallen)
coce (kochen)
fume (rauchen)
more (töten)
sabe (wissen)
vive (beleben)

II. Intensiva: -y-

cyce (braten) < coce (kochen)
fyme (räuchern) < fume (rauchen)
yde (gehorchen) < aude (hören)

III. Relational: -á-

láno (Monat) < luno (Mond)
máge (hochmütig behandeln) < mege (vergrößern)
máte (einsehen, begreifen) < mite (senden, schicken)

IV. Kausativa: -ae-

baebe (tränken) < bibe (trinken)
caede (fällen) < cade (fallen)
maere (ermorden) < more (töten)
naese (in Kenntnis setzen) < nose (kennen)
taende (verbreiten) - tende (ausstrecken, ausdehnen)
vaeve (wiederbeleben, reanimieren) < vive (leben)

V. Dubitativ, Potentialis, Religion: -eu-

certeua (bestimmt) < certa (sicher)
ceulo (Himmel = Religion) < celo (Himmel = Atmosphäre)
creude (glauben = Religion) < crede (glauben, meinen)
gene (schaffen) < geune (schöpfen = Religion)

VI. Mediales Genus Verbi, Interesse, Desiderativ: -ú-

búbe (Durst haben, dürsten) < bibe (trinken)
cúpe (wählen) < cape (fassen)
lúce (dürfen) < lice (erlauben)
lúge (vorlesen) < lege (lesen)
púte (bitten) < pete (anfragen)
púxe (Frieden schließen, stiften) < paxe (befrieden)

VII. Farben: -ei- [ej]

albeia (weiß) < albo (Ei)
ceila (blau) < celo (Himmel)
fleiva (gelb) < flava (blond)

In meiner Sprache gibt es also auch Ablaute wie in der indoeuropäischen Sprache unserer Vorfahren, nur werden sie ökonomisch eingesetzt. Einen unnötigen morphologischen Firlefanz wie in natürlichen Sprachen mute ich den Sprechern nicht zu. Eine neue, am Schreibtisch entwickelte Sprache sollte regelmäßige Formen haben, aber keinen unnötigen Ballast mit sich schleppen. Außerdem sollte sie auch für andere Sprachkosmen offen, wie ich das mit den arabischen Verbstämmen gemacht habe.

 

Soll ich euch heute langweilen oder überfordern? Gestern sind mir ein paar neue Einfälle für meine Sprache gekommen, die schon jahrelange in meinem Kopf umherschwirrten, die ich immer angepackt und verworfen habe. Eine neue am Schreibtisch entstandene Sprache sollte möglichst "einfach" sein. Was "einfach" ist, hängt natürlich von der Sprechergruppe ab, ob sie bestimmte morphologische Strukturen oder Vokabeln schon kennt. Den Schwierigkeitsgrad von Englisch wird meine Sprache schon haben. Bei einigen ungewohnten Neuerungen muss man jedoch dazu lernen.

Fange ich mal mit der Kopula "sein" an. In manchen Sprachen wird sie im Präsens gar nicht ausgedrückt. Dann muss der Zuhörer sie im Kopf ergänzen. Das mute ich euch nicht zu. Wir haben Zeit zu sprechen. Bei längeren Sätzen weiß man den Vorteil einer vorhandenen Kopula zu schätzen.

Präsens

Singular
me (ich bin), es (du bist), e (er, sie, es ist)
am-em (ich liebe), am-es (du liebst), am-e (er, sie, es liebt)
am-ur-em (ich werde geliebt), am-ur-es (du wirst geliebt), am-ur-e (er, sie, es wird geliebt)

Wie ihr selber erkennt, benutze ich die Kopulaformen als Endungen für die Verben. Einfacher geht's nimmer. Beim Passiv benutze ich das Suffix -ur-, das es auch im lateinischen Passiv gibt, nur ist Lateinisch sehr flektierend und macht dem Lerner das Leben unnötig schwer.

Plural
e-im-i (wir sind), e-is (ihre seid), s-ei (sie sind)
am-im (wir lieben), am-is (ihr liebt), am-ei (sie lieben)
am-ur-im (wir werden geliebt), am-ur-is (ihr werdet geliebt), am-ur-ei (sie werden geliebt)

Hier gibt es einige Wörter auch in romanischen Sprachen. Der Plural ist leicht am "i" zu erkennen. Außerdem taucht in den drei Kopulawörtern das "e" wie im Singular auf. Das erleichtert die Assoziation mit der Kopula. Bei den Verbendungen habe ich dann das "e" teilweise wegnehmen müssen, damit die Aussprache leichter wird. Ein sturer Schematismus würde sich auf den Klang der Sprache negativ auswirken, ein Grundsatz, den die Esperantisten beharrlich übersehen und solche lieblichen Endungen wie -ajn in Verbindung mit -ojn ("la belajn florojn" = die schönen Blumen im Akkusativ Plural) bilden.

Für den Ausdruck der Vergangenheit habe ich auf das Altgriechische zurückgegriffen, wo es den Aorist und das Imperfekt gibt. Sie bilden die gleiche zeitliche Vergangenheitsstufe, drücken jedoch zusätzlich aus, ob die Handlung punktuell (Aorist) oder lange (Imperfekt) stattfindet. Im Altgriechischen sind das die Verbaspekte, wie man also eine Handlung betrachtet. Sie sind aber im Altgriechischen unscharf definiert, und erfordern so manches Mal bei der Übersetzung akrobatische Verrenkungen. Für das Indoeuropäische nimmt man an, dass es anfangs nur Aspekte gab, keine so ausgeprägten Zeitstufen wie in vielen seiner Tochtersprachen.

Aorist
ebam (ich war)
am-ebam (ich liebte)
am-ur-ebam (ich wurde geliebt)

Imperfekt
ádem (ich war lange)
am-ádem (ich liebte eine lange Zeit)
am-ur-ádem (ich wurde ganz lange geliebt)

Wer Altgriechisch lernt, wird sich mit Grauen an den Aorist und das Imperfekt denken, vor allem, weil es hier eine Unmenge von Unregelmäßigkeiten gibt. Ich charakterisiere mal das Altgriechische als sprachliches Werkzeug einer parasitären Oberschicht, die die Sklaven für sich arbeiten ließ, um dann genug Muße für die Repetition historisch überkommener und völlig überflüssiger morphologischer Formen zu haben. Der Kontrast zwischen dem riesigen Lernaufwand und die dann über die Texte erlangten Erkenntnisse ist frappierend. In meiner Sprache können die alten Texte viel schneller erfasst und verstanden werden, so dass mehr Zeit für deren Interpretation vorhanden ist. Dumm waren die alten Griechen nicht, aber linguistische Stümper. Keiner ihrer Philosophen ist mal auf die Idee gekommen, die Sprache zu reformieren. Die ersten plansprachlichen Systeme stammen von George Dalgarno (1661) und Bischof Wilkins (1668), also fast 2000 Jahre später, als die klassische griechische Kultur schon lange untergegangen war.

Weitere Zeitstufen meiner Sprache stelle ich hier aus Platzgründen nicht da. Wie das mit den Verbaspekten in meiner Sprache funktioniert, stelle ich ein anderes Mal dar. Das ist nicht schwer zu verstehen. Es werden nur zwei Partikel gebraucht. Mehr verrate ich nicht.

Beinahe hätte ich vor lauter Griechenbegeisterung vergessen zu erwähnen, dass ich im Türkischen ein schönes Morphem (-mis [gesprochen: misch]) gefunden habe, mit der vergangene Ereignisse als nicht persönlich miterlebt dargestellt werden. Das ist etwas ganz Tolles. Mit einer einzigen Endung können die Türken einen Sachverhalt schildern, der in anderen Sprachen mit periphrastischen Ausdrücken wiedergegeben werden müssen. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen und habe dieses mis-Morphem in meiner Sprache nachgebildet und stelle es als Endung -ía dar.

"Nel protío deuulo gen-ía la celon i la teron."
(Im Anfang Gott schuf den Himmel und die Erde.)

nel (im), protío (Anfang), deuulo (Gott), gene (schaffen), celo (Himmel), -on (Akkusativ Singular), i (und), tero (Erde)

Beachtet den Unterschied zwischen:

gen-eba (er schuf = wirkliche Tatsache, punktueller Aspekt)

gen-áde (er schuf = lange Zeit, durativer Aspekt)

gen-ía (er schuf = wohl, dubitativ, potentiell)

Die Endungen sind phonetisch gut unterscheidbar und drücken bestimmte definierte Aspekte aus. In dem Beispielssatz habe ich die Endung -ía benutzt, um auszudrücken, dass dieses Ereignis nicht als reale Tatsache, sondern eher als gedacht interpretiert werden sollte. Die Religiösen würden es aus verständlichen Gründen natürlich mit der Endung -eba versehen, nur fehlt ihnen dazu der naturwissenschaftliche Beweis. Solange er nicht da ist, bleibt es bei der Endung -ía.

Meine Sprache ermöglicht eine präzise Darstellung von Sachverhalten, was in den heutigen natürlichen europäischen Sprachen in dieser Kompression nicht möglich. Mit wenigen Kunstgriffen kann man also mit dieser Sprache in weniger Zeit mehr ausdrücken.

Ich hatte das Vergnügen, mich mit dem reichhaltigen Formenbestand des altgriechischen Verbs in zwei Semestern zu beschäftigen und war froh, als es vorbei war. So darf keine Plansprache aufgebaut sein. Es wird mir eine Freude sein, wenn irgendwann alle Texte der griechischen Philosophen und Dichter in meine Sprache übertragen sind und für jedermann leicht zu lesen sind. Sie sind auch heute noch aktuell, besser als die jüdischen Überlieferungen in der Bibel mit ihren Helden und den beiden Göttern Jahwe und Jesus, die dem griechischen Geist widersprechen und damit auch unserer Moderne. Man braucht sich nur mit beiden literarischen Hinterlassenschaften beschäftigen und den gravierenden Unterschied feststellen. Die theologischen Aussagen der Bibel müsste man konsequent mit der Dubitativendung -ía ausdrücken, bei den naturwissenschaftlichen Aussagen der alten griechischen Philosophen könnte die Indikativendung -eba stehen. Und somit sind wir wieder beim Thema Linguistik angelangt.

Hat schon jemand versucht, Russisch zu lernen? Dann wird er außer einer verknoteten Zunge wegen der zahlreichen Konsonantenhäufungen in den Wörtern auch bei den Verben eine Aspekt-Überraschung erleben. Die Russen, aber auch die anderen Slawen lieben es kompliziert und für Westeuropäischer anstrengend zu lernen. Aspekte verweisen auf die Betrachtungsweise, wie Handlungen vor sich gehen, ob sie beginnen, lange dauern oder enden. Im Deutschen begnügen wir uns mit Adverbien oder längeren Umschreibungen, wenn wir Handlungen näher charakterisieren wollen. Das ist in unserer Grammatik nicht konstitutiv, d.h. wir können es auch sein lassen. Anders im Russischen, dort kann man nicht großzügig darüber hinweggehen, sonst wird man falsch verstanden. Ein Plansprachler hat also zwei Alternativen: Er verzichtet darauf oder er baut es in seine Sprache ein, aber bitte nicht so wie im Esperanto, dessen Erfinder Lejzer Zamenhof ein für Hirnakrobaten perfektioniertes System aus der Kombination von drei Vokalen, der Kopula "sein" und Partizipien geschaffen hat, siehe unter "zusammengesetzte Zeiten" in: http://www.bibiko.homepage.t-online.de/downloads/EsperantoVerben.pdf

Mit ihrem Aspektsystem konnten die Russen ihre berühmte Literatur ausstatten und mit Leichtigkeit ausdrücken, wozu im Deutschen recht umständliche Umschreibungen nötig wären. Bei der Übersetzung aus dem Russischen muss man aus verständlichen Gründen auf allzu große Präzision verzichten.

In meiner Sprache stelle ich die Aspekte mittels bestimmter Endungen oder Partikel dar. Es sind insgesamt drei Stück, also sehr überschaubar.

Aspekte:

Durativ (Dauer): -ád
Ingressiv (Beginn): iscu
Resultativ (Ende): fua

Beispiele:

Durativ
Ádem (ich war lange)
Facádem (ich machte lange)

Ingressiv
Em iscu (ich beginne zu sein)
Facem iscu (ich fange an zu machen)

Resultativ
Em fua (ich bin fertig)
Facem fua (ich habe es fertig gemacht)

Ihr seht bei diesen Minibeispielen, wie aufwendig die Übersetzung ins Deutsche ist. Man braucht mehr Wörter. Meine Sprache ist also viel kompakter und dennoch gut verständlich.

Ein sprachlicher Leckerbissen sind die Aspekte in außereuropäischen Sprachen, z.B. bei den Mayas aus Mexiko. Die spanischen Eindringlinge von damals fanden eine indianische Kultur vor, die ihnen fremd war, mit vielen Menschenopfern. Die Azteken glaubten dadurch, die Götter nach ihrem Willen beeinflussen zu können, was gründlich daneben ging. Hernán Cortés schoss die Krieger Montezumas zusammen und zerstörte weitgehend ihre Kultur mit der Hauptstadt Tenochtitlan. Die Spanier sahen sich als kulturell den Indianern überlegen. Vor einem Genozid schreckten sie nicht zurück, wie im 20. Jahrhundert der Führer Adolf Hitler, der die Juden in Europa vernichtete. Der Homo sapiens zeigt immer wieder in der Historie sein verstecktes teuflisches Wesen.

Vor den Azteken gab es das Volk der Maya, das schon große Städte und Tempelanlagen errichtet hatte. Es gibt immer noch ihre Nachkommen, die in ihrer Sprache einen linguistischen Schatz bewahrt haben, den ich in meine Sprache integriert habe. Es handelt sich um den evidentialen Aspekt, der nur teilweise in den europäischen Sprachen vorhanden ist. Dabei gibt der Sprecher die Verlässlichkeit der Quelle an oder seine Einschätzung oder Bewertung der Handlung. Das ist für Laien auf den ersten Blick nicht leicht zu verstehen, mache ich euch aber klar.

1) Irrealis (Sachverhalt ist nicht wirklich, unter Vorbehalt, Maya: -ik): -isa < isa (wäre). Das ist auch im Deutschen geläufig.

Il isa ... (Er wäre). Il facisa (Er würde machen)

2) Affirmativ (Aussage wird vom Sprecher als objektiv wahr bestätigt, Maya: -äch): síu < sí = ja

Il e síu ... (Er ist so, wie ich weiß, wie es immer so war)
Il face síu (Er macht es, wie ich weiß, wie es immer so war)

3) Assertiv (Aussage wird vom Sprecher als wahr bestätigt, aber aus seiner eigener Erfahrung heraus oder wegen seiner festen Überzeugung, Maya: -ku): opinu < opine (meinen)

Il e opinu ... (Er ist, wie ich meine, davon gehe ich aus.)
Il face opinu (Er macht, wie ich meine, davon gehe ich aus.)

4) Dubitativ (Indefinitiv, Potentialis, Eventualis, vom Sprecher angezweifelt, Maya: -ka): -eu, -ía. Das gibt es auch im Altgriechischen.

Il eu ... (Er ist wohl, wie ich annehme.)
Il ía ... (Er war wohl, wie ich annehme.)
Faceu (Er macht wohl. Ich bin mir nicht sicher, ob er es macht.)

5) Reportativ (vom Hörensagen erfahren, Maya: -bi, abi): audu < aude (hören)

Il eba audu ... (Er war, wie ich erfahren habe)
Il faceba audu (Er machte es, wie ich es selber gehört habe)

6) Konativ (Versuch): bu < be (versuchen)

Il eba bu ... (Er versuchte ... zu sein.)
Il faceba bu (Er versuchte, es zu machen)

7) Molestiv (Empfindung von Verdruss): linu < lino (Linie)

Il e linu ... (Er ist ..., mag es aber gar nicht.)
Il úrge linu (Er ist es überdrüssig zu arbeiten. Er hasst es zu arbeiten.)

Dieser Aspekt ist in der Maya-Sprache sehr gebräuchlich. Die Einwohner von Yucatan wenden ihn täglich an. Diese Tatsache zeigt, dass es nicht von der technologischen Ausstattung einer Gesellschaft abhängt, ob eine Sprache hoch entwickelt ist. Die spanischen Nachkommen in Mexiko wissen die ursprüngliche indianische Kultur gar nicht zu schätzen. Ihr Spanisch ist verglichen mit dem Maya ziemlich plump.

Vergleicht mal die Sätze in meiner Sprache mit den deutschen Übersetzungen. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen.

Eine Plansprache ist die bewusste Gestaltung von Sprache nach bestimmten Basiskriterien, um ein definiertes Ziel zu erreichen. Meine Sprache ist konzipiert für eine post-bourgeoise Gesellschaft mit freien und gebildeten Bürgern, die sich nicht von einem Staat vorschreiben wollen, was sie zu denken haben oder wie sie ihr Leben gestalten sollen, die ihr Schicksal selber in die Hand nehmen und altruistisch eingestellt sind, die nicht aus Eigennutz die Lebensgrundlage der anderen zerstören, sondern am Gemeinwohl interessiert sind, auch wenn dies zu Risiken beim eigenen Leben führen sollte.

Meine Sprache ist nicht zufällig und nach meine individuellen Vorstellungen entstanden. Wie ihr an den Minibeispielen sehen könnt, tritt das „Ich“, also die erste Person, zurück hinter das Verb. Viele moderne natürliche Sprachen machen dies genau anders herum. Sie sind Ich-Sprachen, z.B. Ich sage, I say, je dis. Auch das Esperanto gehört dazu. Sein Erfinder, der Augenarzt Lejzer Zamenhof gehörte wie seine Frau Klara Silbernik, Tochter eines Fabrikanten, dem jüdischen Großbürgertum an. Er dachte in den Strukturen seiner Herkunft. In meiner Sprache ordnet sich der Sprecher in einem anderen Sprachkosmos ein. Er nimmt sich zurück und denkt „aspektuell“ und „evidential“, d.h. er überlegt, unter welchen gedanklichen Umständen und in welcher Interaktion mit anderen eine Handlung stattfindet oder stattgefunden hat. Für die Sprecher meiner Sprache wird dies eine Selbstverständlichkeit sein. Er wird sich nur wundern, warum die die Sprecher eines anderen Sprachsystems so seltsam anders sind.