Vorwort zur Mathematik

Die höhere Mathematik lässt sich am besten anhand bestimmter Anwendungen, die jeder kennt, irgendwie davon gehört hat oder davon betroffen ist, erklären und veranschaulichen.

Ich möchte den Bogen schlagen zwischen der mathematischen Sprache und der normalen Alltagssprache, die sich von der ersteren oft unterscheidet, sehr vage, ungenau, überladen mit allerlei grammatischen Erscheinungen ist. Außerdem werde ich klar machen, dass man bestimmte Sachverhalte zwar mathematisch darstellen kann, aber bestimmte damit dargestellte ökonomische Theorien keinen großen Nähr- und Erkenntniswert haben, nur in ein bestimmtes ideologisches Denkschema passen. Auch vergesse ich nicht die ethischen Hintergründe der Anwendung der praktischen Mathematik zu beleuchten. Es ist ja keinesfalls so, dass alle mathematisch dargestellten Theorien wertfrei sind, losgelöst von einer ethischen Bewertung sind. Wer solches behauptet, hat nicht genügend lange nachgedacht oder ist selber ein Ideologe und merkt es nicht.

Ein Autor kann trocken und einschläfernd schreiben wie so viele Professoren oder mit dem Pinsel eines Landschaftsmalers einzelne Themen darstellen, sie plastisch darstellen und farblich herausstellen, so dass der Stoff spannend, anschaulich ist und zum Weiterlesen anregt und im Gedächtnis hängen bleibt. Letzteres bin ich angegangen.

Das Denken in Zusammenhängen, das Quantifizieren von Strukturen und mathematische Analysen gehören zur Grundausbildung eines angehenden Mathematikers. Er sollte sich nicht in abstrakten Modellen verlieren, was aber im Umkehrschluss nicht heißt, nur praxistaugliche Modelle zu konstruieren, nein, das wäre eine falsche Ansicht über die Mathematik, die eine kulturschöpferische Geisteswissenschaft ist. Doch sich von der Gesellschaft zu verabschieden, sich abzuschotten von den Menschen, sich zurückziehen in Hörsäle und Seminare, ist ein falscher Weg. Eins ist gewiss, bewiesene mathematische Theoreme bleiben immer gültig, auch in tausend Jahren noch, anders als bestimmte Ideologien oder Religionen.

Der Mathematiker hat eine ethische Verantwortung, auch aufgrund ihrer umfassenden Ausbildung in Denkweisen, die elementar philosophischer Natur sind und jeden Menschen tangieren. Nicht von ungefähr ist der Begriff des Unendlichen der Zentralbegriff in jeder Religion.

Mit diesem Buch möchte ich dreierlei erreichen:

• Erstens möchte ich mit diesem Buch unterhalten und eine Menge Spaß vermitteln. Das soll es beim Lesen und Lernen von Mathematik ja auch geben. Es ist ein persönliches Buch, geschrieben für wissbegierige Erwachsene, die glauben, etwas verpasst zu haben, weil sie in der Schule nicht aufgepasst hatten. Natürlich ist es auch für die zukünftige mathematische Elite unseres Volkes geeignet, die sich heute mit der höheren Mathematik abmühen muss.

• Zweitens möchte ich die Mathematik so darstellen, dass sie intelligente und hartnäckige Menschen verstehen können. Schnellleser, geistige Dünnbrettbohrer und Labertaschen mit gut trainierter Zunge stehen nicht im Fokus dieses Buches. Es gibt jederzeit vorrätige Belletristik in den Buchhandlungen, wo man sich gut bedienen kann. Höhere Mathematik ist nun mal trocken, nüchtern und ermüdend, mit einem Wort “schrecklich”.

• Und drittens - ehe ich es vergesse - soll das Buch auch nützlich sein, nicht nur für das Studium der Mathematik, nein, auch fürs Leben. Letzteres verwundert auf den ersten Blick, aber wie das manchmal im Leben so ist, die Liebe auf dem zweiten Blick hält länger. Vorerst sollte der neugierige Leser die Sache “lernen fürs Leben” im Hinterkopf behalten. Nach dem Zuklappen des letzten Kapitels wird er es nachvollziehen und das mit einem lauten Ja, verbunden mit einem starken Kopfnicken, bestätigen. Oder auch nicht - dann hat er aber nicht aufgepasst :-)

• Viertens ist eigentlich überflüssig, weil es persönlich ist. Warum sollte ich mein Wissen, das ich im Laufe meines unbedeutenden Lebens angesammelt habe, mit ins Grab nehmen? Die Würmer und Maden unter der Erde lernen ja nichts dazu, wenn sie an der Leiche knabbern. Es bleibt den Überlebenden oben vorbehalten, was sie mit meinen Erkenntnissen machen.

Ob diese drei Ziele (der vierte Punkt läuft außer Konkurrenz) je erreicht werden, wird sich zeigen, denn ein Lehrbuch ist immer eine heikle Sache, weil mit Arbeit verbunden, nicht nur für den Schreiber, auch der Leser muss arbeiten, an sich selbst und an seiner Faulheit.

Das Zauberwort der Mathematik heißt nicht “bitte”, wie das häufig junge Mütter ihren Kindern beibringen wollen, sondern “Arbeit”, denn Arbeit hält nicht nur vital, sie schützt auch vor Arteriosklerose, besonders des Gehirns, das man unbedingt für die höhere Mathematik braucht. Um dumm zu bleiben, muss man eben nicht viel (dazu) tun. Sport, Fernsehschauen, Reisen und Vergnügungen bringen sofortigen Genuss, etwas was die Mathematik nicht versprechen kann, dafür bietet sie aber den nachhaltigeren “Kick”, ohne unter das Betäubungsmittelgesetz zu fallen.

Na, neugierig geworden? Probieren Sie es aus!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen und Erarbeiten dieses Buches.

Köln, im Jahre 2010

Klaus Dieckmann

 

 

 

Zitat von Mao Zedong:

 

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„Die marxistische Philosophie ist der Ansicht, daß die wichtigste Frage nicht darin besteht, die Gesetzmäßigkeiten der objektiven Welt zu verstehen, um die Welt interpretieren zu können, sondern darin, die Kenntnis dieser objektiven Gesetzmäßigkeiten auszunützen, um die Welt aktiv umzugestalten.“