Juristische Begriffsbildung in Latina Nova

Iuris praecepta sunt haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere. (Ulpian)

„Die Anweisungen des Rechtes sind: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen und jedem das Seine zugestehen. (Ulpian)“

Bald geht mein interessantes Seminar „Lateinisch für Juristen“ zu Ende. Es war interessant von der linguistischen Seite her gesehen, von den juristischen Aspekten und Sachverhalten und dem Verhalten der Jura-Studenten. Der Dozent Dr. Bonin mit seinem schönen italienischen Akzent erklärte die lateinische Grammatik und erklärte die juristischen Hintergründe des römischen Rechts. Wie die Studenten seine Ausführungen aufgenommen haben, konnte ich nicht ersehen. Sie versteckten sich bis auf zwei Gesichter hinter ihrer ausgeschalteten Camera am PC. Ihre Münder waren ebenso verschlossen und immer die gleichen Teilnehmer lasen die lateinischen Texte vor.

Ich hatte keine Scheu. Nur in der vorherigen Stunde des Seminars meldeten sich verschiedene aus ihrer Deckung Herauskommende sogar mit Gesicht und stellten konfuse Fragen über die Prüfungsmodalitäten, die der Dozent schon längst mehrfach erklärt hatte.

Ein junger Mann hatte die Befürchtung, der Himmel könnte während der Prüfung zusammenstürzen, pardon, sein PC könnte aus unerfindlichen Gründen kaputt gehen, und was er dann machen könnte. Der Dozent hatte Geduld mit seiner quälenden Frage und machte ihm den Vorschlag, dass er dann seine Übersetzung per Email senden könnte. Als dann noch mehr infantile Fragen aufkamen, habe ich die Sitzung verlassen. Dieses Ereignis erheiterte mich sehr.

Das kurzweilige Seminar hat mich zum Nachdenken über die postbourgeoise Gesellschaft gebracht, welche Bezeichnung sie haben kann, wie ihre politischen Strukturen aussehen könnten. Wenn man sich mit dem Recht nur in der Muttersprache beschäftigt, assoziiert man unwillkürlich bestimmte Denkmuster mit dem benutzten Vokabular. Über die Beschäftigung mit den originalsprachlichen Texten eröffnet sich ein neuer Denkkosmos, zumindest bei mir. Ob dies bei den jungen Studenten der Fall war, kann ich nicht bestätigen. Ich nehme an, eher nicht. Sie sind wohl eher an ihren Punkten (credit points) interessiert. Damit sind sie wertvolle Mitglieder der derzeitigen bürgerlichen Gesellschaftsordnung, können aber deren Transformation in eine neue Gesellschaftsordnung nicht verhindern.

Die kurzen lateinischen Rechtssprüche sind auch heute noch brauchbar. Sie sollten als Vorbild für eine zukünftige Rechtsformulierung dienen. Das Verhalten der damaligen, römischen Plebejer mit ihren „Streiks“ gegen die herrschende Klasse der Patrizier und ihren Plebisziten ist nicht obsolet. Statt von einer postbourgeoisen Gesellschaftsordnung werde ich künftig von einer plebejischen Republik sprechen mit einer neuen Rechtsordnung und neuen Rechtsprinzipien. Wie diese konkret aussehen würden, das wird sich noch entwickeln. Jedenfalls fußt die neue plebejische Rechtsordnung nicht auf den vielen -ismen der vergangenen Geschichte: Faschismus, Sozialismus, Kommunismus, Rassismus. Habe ich hier noch etwas vergessen?

Auch die religiösen Utopien der modernen Zeit als Staatsordnung sind völlig unbrauchbar. Fantastereien gehören in den privaten Bereich. Jeder hat ein Recht auf Dummheit. Auch der Populismus ist ein Übel. Solche Sprüche und Denkmuster wie „America first“, die nur den eigenen Vorteil aus sind, sind rein egoistisch. Partnerschaft und Altruismus hingegen sind echte Werte, auch wenn man manchmal nur einen Teil erreicht, was man eigentlich wollte. Das hat etwas mit „ehrenhaftem Leben“ zu tun, wie Ulpian (s.o.) es ausdrückte. In meiner Sprache Latina Nova lautet sein Grundsatz so:

La précapeoi del jurío sei hi: viveas honoru, ni noxeas ultun, tribaseas, cu e propa lé.

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