„Mathematik zu griechisch mathematike (techne), von mathema ‚das Gelernte‘ eine der ältesten Wissenschaften […] Der Aufgabenbereich der Mathematik wurde mit der Abstrahierung von der ursprünglichen Bedeutung der untersuchten Objekte wesentlich erweitert und führte zu einer ‚Wissenschaft von den formalen Systemen‘. (D. Hilbert)”
[Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2007]
Es wird ernst. Heute beginnen die Vorlesungen für das Wintersemester 2019/20. ich habe mir den Stundenplan selbst zusammengestellt. Darin bin ich frei und nicht an die Studienordnungen gebunden. Mein Schwerpunkt liegt auf der Mathematik, dieser schönen Wissenschaft mit großer Ästhetik und Präzision. Ihre bewiesenen Theoreme haben Ewigkeitswert, sind unumstößlich, anders als bei den Naturwissenschaften, wo bisherige Erkenntnisse auch mal umgeworfen oder modifiziert werden werden.
Aber auch anders als bei Religionen, deren Stifter und spätere Repräsentanten einen absoluten Wahrheitsgehalt und einen Ewigkeitswert vorgaukeln und selber daran glauben, obwohl Religionen sehr wandelbar sind und unverhofft untergehen können.
Ich bin sinnvoll beschäftigt und kann mich mit den jungen Studenten über mehr als nur Allgemeinheiten unterhalten. Meine jetzige Zeit ist die beste in meinem Leben.
Heute (Oktober 2019) habe ich in der Mathevorlesung gemerkt, warum so viele Mathestudis im ersten Semester das Handtuch werfen. Der Hörsaal ist nach einer Woche an Vorlesungen schon leerer geworden. Die Beweise hauen an Abstraktion einen um. Ein Beweis über die Identitätsabbildung nimmt eine ganze Seite in Anspruch und er ist noch nicht fertig. Die Eindeutigkeit fehlt noch, kommt in der nächsten Stunde dran. Im Unterschied zu früher kann ich noch folgen. Jedoch fällt mir das noch schwer. Es ist so ungewohnt. Mathematik ist eine schöne Sache. Gleich geht es mit Altindisch weiter mit seiner eigenwilligen Schrift. Beim letzten Mal waren sechs Studenten zugegen. Das Alphabet habe ich schon gelernt. Nun wird es mit der Grammatik beginnen. Eine tolle Sache!
So, jetzt mache ich Ernst mit der Mathematik und bereite sie nach, wie dies die Professoren geraten haben (Auf dem Foto ein Ausschnitt aus der Mathematik I).
Im vorigen Semester hatten die Sprachen Priorität, nun aber die Mathematik, eine schöne Wissenschaft mit manchmal sehr knapper Ausdrucksweise und fremden Symbolen. Wichtig bei dieser symbolischen Darstellung ist, genau zu wissen, was sie bedeuten.
Wer sinnlos nur die Symbole abliest oder auswendig lernt, bleibt mathematischer Analphabet. Früher hätte ich das nicht gekonnt. Jetzt fällt mir das immer leichter. Das ist der Lohn intensiven Studiums und Repetition.
Morgen habe ich gleich zwei Mathevorlesungen, sehr spannend und interessant. Darauf freue ich mich schon. Vor allem die beiden Professoren Mörters und Altland sind super freundlich und hilfsbereit bei Fragen aus dem studentischen Publikum. Der erstere ist für die reine Mathematik zuständig, der letztere für die Mathematik für Physiker.
Heute (Oktober 2019) war ein schöner Tag. Er fing mit einer Analysis-Vorlesung bei Professor Marinescu an. Er stellte die Mathematik mit einer Begeisterung und einem Fun dar, was ich so noch bei keiner Mathematikvorlesung erlebt habe. Außerdem schrieb er sehr deutlich und für ältere Semester auch entsprechend groß an die Tafel. Wunderbar.
Die andere Vorlesung über die mathematischen Methoden der Physik hielt Professor Altland, der ein dickes Buch zusammen mit einem anderen Professor über dieses Thema geschrieben hat. Er war sehr lebendig in seiner Darstellung und nicht allzu abstrakt, wie das schon kennengelernt hatte. Prima! Eine schöne Freizeitbeschäftigung für mich.
Alte Sprachen sind ja mein Ding. Im linguistischen Institut gab Dr. Frotscher eine Einführung ins Gotische. Es ist zu schade, dass ein wichtiges Dokument in gotischer Sprache aus dem 5. Jahrhundert verloren gegangen ist. So hat man außer der westgotischen Übersetzung des Neuen Testaments nur sehr wenige Zeugnisse. Könnte das auch mit unseren heutigen digitalisierten Dokumenten geschehen, wenn die Datenträger durch Kriegseinwirkungen zerstört würden? Das Material ist ja nicht so haltbar wie Stein oder gebrannter Ton.
Komme eben aus einer Mathematikvorlesung mit dem Thema Fourierreihen (Mai 201). Der Professor war erstaunt, warum gar keine Fragen gestellt wurden. Routiniert hatte er diese Reihen in seiner ihm eigenen Begeisterung an der Tafel dargestellt, die nicht auf die Zuschauer übersprang. Brav schrieben sie die Integrale mit und auch ein schönes Theorem, dessen Formulierung eine Viertelseite in Anspruch nahm.
Was sich dahinter verbarg, war mir schleierhaft. Gewiss würde es in irgendeiner Übung als bepunktete Aufgabe gestellt. Ich habe mir abgewöhnt, diese Übungen zu besuchen. Sie werden von Hilfskräften abgehalten, die ihre Prüfungen sehr gut geschafft haben, allerdings dies didaktisch nicht weiter vermitteln können. Physik zu studieren frustriert eher als es Freude bereitet.
Nicht ohne Grund besteht hier in Köln eine Abbrecherquote von 80 Prozent. Das ist enorm, zeigt aber auch, dass beim Studium etwas schief läuft. Ich würde es nicht den motivierten Studenten anlasten, eher der Art und Weise, wie mathematisches Wissen vermittelt wird. Es ist viel zu abgehoben und setzt schon tief gehende Kenntnisse voraus.
Im Vorkurs habe ich festgestellt, dass uns mathematische Happen vorgeworfen würden, ohne inneren Zusammenhang oder ein systematisches Einüben oder Trainieren von mathematischen Fähigkeiten. Die soll man sich augenscheinlich selber beibringen. Das werde ich nun selber in die Hand nehmen und so viel Mathematik lernen, wie es zum Verständnis meiner gekauften Physikbücher notwendig ist. Ich will doch Physik verstehen.