Säxisches Recht

Gibt es etwas Schlimmeres als sich mit der Jurisprudenz zu beschäftigen? Für einen Sprachplaner ist dies „grausam“ und langweilig, aber doch wichtig für den Frístát fun Saxia. Gerade die Rechtsbeziehungen gehen jeden an, obwohl sich die meisten sich gar nicht davon bewusst sein. Sie sehen vieles als selbstverständlich an, was es aber in einem Rechtsstaat eben nicht ist.

Schon die alten Römer beschäftigten sich ausgiebig damit und daran knüpfe ich für das säxische Recht an. Das deutsche Recht lasse ich außen vor. Es ist eine seltsame Mischung aus römischem und germanischem Recht und schwer zu durchschauen. Das soll im säxischen Recht anders sein, auch die sprachliche Formulierung der Paragrafen wird klar und leicht verständlich sein. Den Fehler der Deutschen, den grammatischen Stil des Lateinischen nachzuahmen, begehe ich nicht. Dadurch hat sich das Deutsche zu einer Klassensprache entwickelt.

Momentan bin ich in der Sammelphase und übersetze die römischen Rechtsmeinungen ins Säxische, berücksichtige auch die modernen Ausführungen in verschiedenen Kodizes. Ich brauche erstmal einen Überblick, was es denn alles hier an Normen und Definitionen gibt und mir dabei Gedanken machen, was dahinter steckt, welche Intentionen damit verbunden waren und wie diese heute ebenfalls angewandt werden könnten. Das ist eine Abstraktionsphase und eine Transformation uralter Rechtsgedanken in die Moderne unter modernen Geschäftsbedingungen und nicht zu vergessen, die neuen Ausprägungen für eine sozialistische Gesellschaft mit dem Anspruch einer klassenlosen Gesellschaft ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und dem Ziel eines nationalen Glücks.

Die säxische Gesetzessammlung kann auch ein Vergnügen sein, sie zu lesen und zu verstehen und zwar auch von den einfachen Leuten ohne Studium. Ich verstehe sie ja auch und habe kein Jura-Studium, war nur einfacher Sachbearbeiter.

Die Jahresberechnung habe ich auf die Gründung der Stadt Rom (n.R.) im Jahr 753 v.Chr. festgesetzt und rechne die Jahre nur noch hoch. Zur Zeit haben wir das Jahr 2777 n.R., eine schöne Jahreszahl mit drei Sieben. Für Saxia soll nicht mehr die abendländische Zählung gelten, und dieser Staat wird auch nicht mehr Erbe des jüdisch-christlichen Abendlandes sein, wie dies bei nationalen Parteien besonders betont wird. Natürlich sind Teile davon in der neuen säxischen Kultur enthalten, aber nicht mehr als Ganzes und entscheidend anders zusammengesetzt.

Der Staatsname Saxia rührt von seiner Sprache her, hat aber nicht viel mit den alten Sachsen in Norddeutschland zu tun und schon gar nichts mit dem heutigen Bundesland Sachsen.

Übrigens habe ich meine deutsche Literatur entsorgt und zur Büchertauschbörse gebracht. Ich brauche sie nicht mehr. Mögen sich andere daran erfreuen.

Mit meiner schönen säxischen Sprache bin ich dabei, eine Verfassung für den Freistaat Saxia zu erarbeiten. Dabei habe ich alle 30 Artikel der Menschenrechte der Vereinten Nationen verarbeitet und in ein klares und einfach verständliches Säxisch übertragen. Zum Glück habe ich schon einige Übung und Praxis, die juristischen Begriffe ins Säxische zu transformieren.

Die aktuelle Verfassung der BRD besteht aus einem Wust von langen Sätzen, die mich ermüden. Ich ziehe lieber die Urfassung von 1949 zurate, die noch kein Parteiprogramm mit blumigen Wunschvorstellungen der verschiedensten bürgerlichen Parteien war. Im Laufe von Jahrzehnten hat sich doch ein Wortmüll in der deutschen Verfassung angesammelt. Ich muss sagen, gewählte demokratische Parlamentarier haben keinen Sinn für sprachliche Schönheit oder Klarheit von Begriffen.

Ich bin noch lange nicht fertig. Die Menschenrechte zu formulieren war ziemlich einfach. Ich gehe ja von einem freiheitlichen Menschen aus, der in einer Gemeinschaft lebt, in der die Beziehungen untereinander nach bestimmten Regeln definiert werden und zwar freundlich und mit gegenseitigem Respekt unter Beachtung rechtstaatlicher Prinzipien.

Meine Verfassung habe ich durchgängig in Säxisch geschrieben mit einem Wörterbuch am Schluss. Wer also Interesse hat, kann sich den Wortschatz erarbeiten. Eine deutsche Übersetzung biete ich nicht an. Die deutsche Juristensprache klingt in meinen Ohren so fade und veraltet mit Bandwurmsätzen. Einfach schrecklich.

Saxia ist noch eine Utopie. Wo und wann sie realisiert wird, ist noch offen.

Geschafft! Die Grundrechte der säxischen Verfassung habe ich fertig gestellt. Sie bestehen aus 30 Artikeln und sind den Artikeln der Menschenrechte der Vereinten Nationen sowie ergänzend aus der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz von 1949, nachgebildet. Ich habe sie sprachlich neu ausformuliert und lange Sätze verkürzt. Wiederholungen oder Verfahrensanweisungen gemäß der Zivilprozessordnung ZPO vermieden. Auch Überregulierungen bis ins kleinste Detail, was sowieso schon allgemein geregelt wurde, habe ich weggelassen. Eine Verfassung sollte nicht abschweifen und sich in Eventualitäten verlieren.

Nur bei gutem Willen der Parlamentarier funktioniert überhaupt eine Verfassung. Es gibt keine Möglichkeit, sie so zu formulieren, dass kein Missbrauch möglich ist. Böswillige Parlamentarier kann keine noch so gut gemeinte und ausgereifte Verfassung stoppen. Sie erfinden neue Bedeutungen für die benutzten Begriffe und hebeln deren ursprünglichen Sinn aus.

Die Väter der deutschen Verfassung haben es fertiggebracht, in vielen Artikeln zu den allgemeinen Rechten und Freiheiten gleich im nächsten Satz eine Einschränkung festzulegen. Das ist unlogisch, wenn auch in der Praxis oftmals nötig. Es gibt nun mal keine absolute Freiheit und kein absolutes Recht des Individuums. Wohlwollende Einschränkungen sind notwendig, was ich im Artikel 30 formuliert habe. Die deutsche Juristensprache passt zum Deutschen, das ja eher eine Kunstsprache der Adelsklasse war und später von der bürgerlichen Klasse weiter geführt wurde. Säxisch ist lebendig, klar und eindeutig und klingt auch viel besser, was mein persönlicher Eindruck ist. Es ist die Sprache für das Volk und würde auch von ihm gut verstanden, wenn sie sich durchsetzte.

In diese Verfassung fließt mein über Jahrzehnte erarbeitetes Wissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten ein. Es ist ja nicht so, dass man sich an den Tisch setzt und mal eben eine komplexe Verfassung schreibt. Die Literatur dazu kann ich nun entsorgen und zu einer Büchertauschbörse bringen. Ich habe schon hunderte Bücher weggebracht. Auf dem letzten Foto seht ihr die noch in Kartons verpackten Bücher, die ich noch die nächsten Wochen nach und nach wegschleppen werde. Das stärkt die Armmuskulatur. Bücher sind ziemlich schwer.

Nun beginnt meine weitere Arbeit am Staatsaufbau von Saxia. Wie sollen die Gewaltenteilung und die Staatsorgane strukturiert sein? Es gibt ja verschiedene Ansätze dazu in den bestehenden Demokratien. Leider gibt es kein Modell, das Dummköpfe an der Staatsspitze verhindern kann. Deshalb ist ein modifiziertes Bildungswesen auch so notwendig, das mehr lehrt als schön formulierte Sätze und eine gute Gesinnung zu haben, bei den Guten zu stehen und die anderen zu dämonisieren.

Es wird also etwas dauern, bis ich ein praktikables und für das Volk vorteilhaftes Modell entwickelt habe, das anders als die deutsche Verfassung Laien an die Staatsspitze spült, die bei jedem öffentlichen Auftreten mit „Buh“ und „Hau ab“ begrüßt werden und denen der Weg mit Traktoren versperrt wird.

Meine säxische Verfassung schreitet voran. Jetzt habe ich 70 Artikel formuliert. Wie die Rechtsbegriffe in Säxisch lauten, könnt ihr dem Foto entnehmen. Sie sind schön kurz und anders als im Deutschen wirken sie frisch und keineswegs angestaubt. Für die Erfindung der säxischen Begriffe in dem Artikel habe ich einen Vormittag gebraucht.

Die Befugnisse des Bundes und der Länder muss ich noch ausarbeiten und auf wenige Rechtsprinzipien reduzieren. Der Text des Grundgesetzes von 1949 und die Neufassungen nach der Wiedervereinigung sind arg unübersichtlich und manchmal schwer zu interpretieren, besonders wenn es um finanzielle Leistungen zwischen den Bundesländern geht. Er ist auch viel zu detailliert, was eigentlich in Bundesgesetze ausgegliedert werden könnte. Die Verfassung ist zwar ein änderungsgehemmtes Recht, doch bei den unzähligen Änderungen scheint es mir sehr leicht gewesen zu sein, die Artikel immer mehr aufzublähen. Entsprechende Mehrheiten Im Parlament und im Bundesrat haben sich also gefunden. Jede Partei und jede Modeströmung haben sich darin verewigt, bis sich das deutsche Volk eine andere Verfassung geben würde, wie in Artikel 146 geschrieben ist. Hier liegt aber ein Widerspruch zu anderen Artikeln vor, in denen verfassungswidrige Handlungen verboten sind. So richtig logisch haben die Verfassungsväter nicht gedacht.

Auch Plattdeutschkenner könnten den säxischen Verfassungstext nicht verstehen, weil ich keine Wörter unverändert aus dem Deutschen entlehnt habe. Ich habe sie nachgebildet und der säxischen Wortbildung angepasst. Das heutige Plattdeutsch ist viel zu deutsch, was man an dem zweiten Bestandteil der Sprachenbezeichnung deutlich sieht. Die Plattdeutschsprecher haben sich von den Deutschen stark assimilieren lassen und dadurch ihre Sprache zu einem Quasi-Dialekt verkommen lassen.

Mein Säxisch ist ein Gegenentwurf zum Deutschen, das für die Etablierung einer neuen sozialistischen Gesellschaft ungeeignet ist, linguistisch oder vom Deutschtum her gesehen.

Fertig ist meine säxische Verfassung! Und das in vierzehn Tagen geschafft in einer neuen Sprache, verfasst von einem Rentner, der als einfacher Sachbearbeiter mit kaufmännischem Abschluss gearbeitet hatte. Es geht also auch ohne ein juristisches Studium.

Meine Verfassung ist sozialistisch, freiheitlich, und nichtbürgerlich. Die Beziehungen der einzelnen Rechtssubjekte habe ich ausbalanciert und darauf geachtet, dass die einzelnen Rechte auch realistisch sind und klar formuliert und eindeutig sind, ohne dass „smarte Boys“ mit Krawatte und frisch von einer Elite-Uni Schlupflöcher finden können und Bestimmungen ins Gegenteil verdrehen. Ich werde die Verfassung aber noch akribisch prüfen, ob ich doch noch etwas vergessen habe oder Zuständigkeiten noch offen sind. Sie enthalt ca. 100 Artikel und umfasst einen Wortschatz von ca. 1300 säxischen Wörtern mit vielen juristischen Begriffen.

Die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und die deutsche Verfassung von 1949 konnte ich als Vorlagen gut gebrauchen und habe sie sprachlich ans Säxische angepasst. Ich hatte mir auch andere Verfassungen angeschaut. Besonders die kommunistischen Verfassungen sind ein Traumland der politischen Wünsche und der Diktatur des Proletariats mit einer absoluten Partei, die alles regeln soll. Auch ihre dümmliche Zentralverwaltungswirtschaft kommt in meiner Verfassung nicht vor. Der Bevölkerung soll es doch gut gehen und nicht vor leeren Geschäften warten.

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