Die Mathematik macht mir immer mehr Spaß. Ihr zu folgen erfordert konzentriertes Zuhören in der Vorlesung und schnelles Umformen der Gleichungen im Kopf. Zu Hause schreibe ich dann die Rechenschritte als Kommentare auf. Die Gefahr besteht sonst, dass ich sie zu schnell wieder vergesse.
Die Beweise sind manchmal sehr umfangreich und nicht leicht zu überschauen, wie in dem Beispiel für das Wurzelziehen in den reellen Zahlen. Heute habe ich fast sieben Stunden Mathematik gemacht.
Wer sich da nicht reinhängt, wird immer Außenstehender bleiben und gewiss Leidensgenossen finden, die sich darin überbieten, was sie nicht verstanden haben und wie schlecht die Lehrer waren.
Die Mathematik gefällt mir immer besser und fällt mir auch leichter. Die Übung macht‘s. Mittlerweile nimmt die Mathematik mehr Zeit in Anspruch als die Sprachen, die ich gar nicht mehr so toll finde mit ihren Willkürlichkeiten und logischen Brüchen. Eine schöne Zeit hat für mich begonnen.
Ich konnte mich erst nicht entscheiden, welche mathematische Darstellung schöner ist, die von Grenzwerten oder die einer Differentiation. Die Symbole der höheren Mathematik haben eine abstrakte Ästhetik, die die meisten nicht nachvollziehen können. Jedoch hat das auch seinen Preis. Die Formeln sind nicht sofort verständlich. Das zeigt mein Beispiel mit der Kettenregel. Ich konnte sie anders formuliert, doch die komplizierte Formulierung ist sehr nützlich bei der allgemeinen Ableitung inverser Funktionen. Das ist ist mir erst eben aufgegangen. In der Vorlesung sind Geistesblitze kaum möglich, so schnell wird der Stoff eingeführt.
Heute war ich allein sechs Stunden mit der Mathematik beschäftigt. Die Nachbereitung dauert solange wie die Vorlesung. Das ist eine schöne Freizeitgestaltung.
Das Schönste an der Mathematik ist ihre Exaktheit. Alles muss bewiesen werden. Nichts wird geglaubt, egal welcher Mathematiker bestimmte Theoreme aufgestellt hat. Hier gibt es keine Wortklaubereien oder Vermutungen oder Meinungen, wo jeder irgendetwas von sich geben kann. Das gefällt mir sehr gut.
Im Leben braucht man Ausdauer, auch beim Studieren, vor allem in der Physik und ihrer schwierigen Mathematik. Heute habe ich endlich verstanden, was zyklische Permutationsgruppen bezüglich des Vektorprodukts sind. Das sagt dem Laien gar nichts. Heute habe das verstanden dank Professor Altland, der ein Buch die Mathematik für Physiker geschrieben hat. Er erklärt die Mathematik nicht so abstrakt wie andere Professoren. Das hilft mir sehr. Es geht also langsam voran. Das Alter ist kein Hinderungsgrund, neue Welten zu entdecken, ganz ohne Hotelbuchung und Auslandsreisen. Ich bin sehr zufrieden.
In der Mathematikvorlesung bei Professor Mörters muss ich blitzesschnell die mathematischen Sätze und Beweise mitschreiben. Mein Gehirn läuft auf Hochtouren. Unaufmerksamkeiten führen zum Nichtverstehen. Der Abstraktionsgrad ist enorm hoch. Ich versuche mir, seine Ausführungen bildlich vorzustellen, was mir nicht immer gelingt. Aber ich lasse mich dadurch nicht entmutigen und schreibe weiter.
Was wirklich unschön ist, dass Professoren Rechenmethoden der höheren Mathematik voraussetzen, die es im Schulunterricht nicht gab. Jedenfalls sagte der Professor, er hoffe, wir könnten mit Fakultäten rechnen. Das sind knifflige Faktoren mit einem Fragezeichen dahinter. Der Trick hierbei ist, das Fragezeichen geschickt zu verschieben, um damit einen Hauptnenner bilden zu können. Das Wissen hierzu hatte ich mir mal früher selbst beigebracht, so dass ich es hier anwenden konnte.
In meinem Heft habe ich mir vorsorglich die Umformungsschritte notiert, damit ich sie später wieder reproduzieren kann. Eigentlich müsste ich alle Beweise aus dem Effeff lernen, aber so viel Zeit habe ich nicht. Immerhin lerne ich noch schwierige Sprachen. So begnüge ich mich mit einem passiven Wissen, was aber unbefriedigend ist. Immerhin verstehe ich in diesem Semester viel mehr Mathematik als im letzten Sommersemester. Ich will aber noch besser werden. Mathematisches Halbwissen ist nämlich kein Wissen. Damit lassen sich keine Klausuren bestehen. Das Leben ist hart, haha.