Heute haben wir einen gotischen Text aus dem Evangelium nach Matthäus übersetzt. Das war ganz schön schwierig. Manche Wörter gibt es heute noch im Deutschen, wenn auch in der Hochdeutschen Lautverschiebung. Andere Wörter sind ausgestorben. Sie lassen sich nicht mehr ohne Wörterbuch erkennen.
Der Bischoff Wulfila, der das neue Testament ins Gotische übersetzt hatte, hielt sich auch in der grammatischen Konstruktion an das griechische Vorbild, das jedoch nicht eigentlich germanisch war.
Obwohl das Gotische ziemlich alt ist, hat es jedoch Neuerungen, die in anderen germanischen Sprachen nicht vorkommen. Das Deutsche basiert auf westgermanischen Dialekten und hat manche altertümlichere grammatische Erscheinungen, ganz schön paradox. Deshalb kann man das Gotisch nicht als genuin vorgermanische Sprache ansehen. Es ist einfach zu „jung“, haha.
Bei der Übersetzung des kurzen Textes ist mir die judenfeindliche Gesinnung von Jesus, genannt der Christus, aufgefallen. Er polemisiert gegen die damaligen Juden, was ein bezeichnendes Licht auf die frühen Anhänger des Christentums wirft, die sich vom Judentum vehement abgrenzen wollten. Ob nun Jesus Ben Joseph ein polemisierendes „Ekel“ war oder der Schreiber des Evangeliums, lässt sich nicht entscheiden. Eine große Verärgerung der Messiasanhänger, auf Griechisch Christianoi genannt, dass die große Mehrheit der damaligen Juden ihren Jesus nicht als Messias, also ihren politischen König anstelle von Herodes anerkannt hatten, ist deutlich zu spüren. Wenn man die Evangelien linguistisch mühsam erarbeitet, denkt man intensiver über den Text nach als dies im eingängigen Deutschen der Fall ist. In der nächsten Stunde geht es weiter mit dem Text. Mal sehen, was sich da noch so auftut.