Die Latina Nova habe ich aus dem klassischen Lateinisch entwickelt. Das komplizierte lateinische Tempussystem mit den fünf Konjugationsklassen habe ich stark vereinfacht. Den sprachlichen „Blödsinn“ des klassischen Lateinisch habe ich abgeschafft. Die natürlich gewachsenen Sprachen in Europa, die auf dem Indogermanischen beruhen, bestehen aus einem unlogischen Wust von überflüssigen und mehrdeutigen Endungen. Wer von der „Logik“ des Lateinischen schwärmt, hat einen Tunnelblick. Schon in meiner Schulzeit habe ich mich über die massiven Unzulänglichkeiten des Lateinischen gewundert und freute mich auf das Ende der Plackerei nach fünf Jahren. Die bürgerliche Klasse ist von dieser Sprache angetan und in den entsprechenden Websites der bürgerlichen Gymnasien sind die „Vorzüge“ und „Logik“ dieser schrecklichen Sprache aufgelistet, sogar mit bunten Bildchen. Das ändert nichts an meiner Abneigung gegenüber dem klassischen Latein. Seine Willkürlichkeiten beim Genus und der Gebrauch des Konjunktivs in allen Schattierungen sind ein Graus und gehören auch zu den größten Schwächen und Hürden dieser alten Sprache.
Viele Wörter dieser Sprache haben sich weltweit verbreitet. Sie finden sich auch in der Weltsprache Englisch wieder. Immerhin gehörte England vierhundert Jahre zum Römischen Reich, was tiefe Spuren im Englischen hinterlassen hatte. Die romanischen Sprachen sind direkte Nachkommen des Lateinischen.
Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie ein vernünftiges und leicht verständliches Lateinisch aussehen müsste. Meine Sprache nenne ich Latina Nova.
Die obigen Kopulaformen finden sich im Lateinischen. Nun folgen meine Neuerungen in Latina Nova. Die Formen der Kopula werden an die Vollverben angehängt. Das klappt ganz gut. Die dritte Person Plural weicht etwas ab.
Vergleiche die Kopula mit dem Vollverb im Präsens.
Die Kopula für das Imperfekt lautet:
Auch diese Kopula wird an das Vollverb angefügt.
Das Futur der Kopula wird auch für das Vollverb im Futur benutzt.
Ist euch schon aufgefallen, dass im Plural der Buchstabe i vorkommt? Auch bei den Substantiven wird er zum Ausdruck des Plurals gebraucht.
Beispiel
la domo (das Haus) – la domi (die Häuser)
Latina Nova hat eine einfachere Grammatik als das klassische Lateinisch. Ein paar Sätze verschaffen euch einen Vorgeschmack meiner Plansprache.
Latina Nova
Hodíu Tulia y Julius approceni al publa plazon. Pau lia ámicéro Marcus exspecíte. Subitu la senátéro sé proce, ita causu la populo voce: „Salve, senátéro!“ Sedu Tulia y Marcus rogeni: „Pé esta la senátéro?“ La populo clame: „Pau esta.“
Lateinisch
Hodie Tullia et Iulius in forum properant. Ibi Marcus amicus diu expectat. Subito senator appropinquat, itaque populus clamat: „Ave, senator!“ Sed Tullia et Marcus interrogant: „Ubi est senator?“ Populus clamat: „Ibi est!“
Die beiden Sprachen sollen sich möglichst ähnlich sehen. Für die Wortstellung der Latina Nova habe ich die heute übliche SPO (Subjekt-Prädikat-Objekt) gewählt. Ich benutze auch den modernen bestimmten Artikel la wie in den modernen romanischen Sprachen.
Deutsch
Heute nähern sich Tullia und Julius dem Forum. Dort wartet ihr Freund Markus. Plötzlich nähert sich der Senator, daher ruft das Volk: „Sei gegrüßt, Senator!“ Aber Tullia und Markus fragen: „Wo ist der Senator?“ Das Volk ruft: „Dort ist er!“
Quelle des Textes: Latein/ Anfängerkurs (Wikibooks)
Wie viele Denkvorgänge braucht man, um etwas in verschiedenen grammatischen Zeiten auszudrücken? Damit meine ich z.B. die verschiedenen Tempora bei der Kopula („sein“) im Lateinischen oder Deutschen. Ein Beispiel: ich bin dumm. Ich war dumm. Ich werde dumm sein. ich bin dumm gewesen. Ich war dumm gewesen. Und zum Schluss: ich werde dumm gewesen sein, wenn man hellseherische Fähigkeiten hat. Das sind also sechs Tempora mit jeweils sechs Personenangaben, also insgesamt 36 verschiedene grammatische Formen. Das Lateinische schöpft dieses Potential völlig aus und traktiert das Gehirn jeden Lateinachülers nachhaltig. Ginge es auch etwas einfacher mit weniger Hirnverrenkungen? Das Englische macht es ja vor. Antwort: Es geht lückenlos. Für meine Plansprache habe ich dieses Prinzip verfolgt, jedoch auf dem Lateinischen aufgesetzt, wie ihr noch feststellt.
Präsens: em (ich bin)
Aorist: ebam (ich war)
Futur I: seram (ich werde sein)
Perfekt: fu em (ich bin gewesen)
Plusquamperfekt: fu ebam (ich war gewesen)
Futur II: fu seram (ich werde gewesen sein)
Wer aufpasst hat, dem fällt auf, dass der zweite Block auf dem ersten Block aufbaut und sich nur durch das Partikel „fu“ unterscheidet. Es verweist auf den perfektiven Aspekt, also auf etwas zeitlich Abgeschlossenes.
Dieses Kopulasystem nutze ich auch für die Vollverben. Eine praktische Sache.
Ich führe euch das vor, indem ich Bindestriche setze. Sie werden natürlich sonst nicht geschrieben.
Präsens: fac-em (ich mache)
Aorist: fac-ebam (ich machte)
Futur I: seram fac-em (ich werde machen)
Perfekt: fu fac-em (ich habe gemacht)
Imperfekt: fu fac-ebam (ich hatte gemacht)
Futur II: fu seram fac-e (ich werde getan haben). Hoffentlich keine Dummheiten.
Man kriegt also zwei für eins. Aus der Kopula ergeben sich die entsprechenden Endungen für die Verben. Wenn Lateinisch so einfach wäre, hätte es gewiss mehr Fans gewonnen. Aber wie es in der Schule oder akademischen Laufbahn so ist, man verkompliziert eine einfach verständliche Sache und meint oder behauptet dann ernsthaft, man wäre dadurch gebildet.
Auf den Fotos sind die lateinischen Kopulaformen als Kontrastprogramm aufgelistet.